Alpendoener
Situation, in der es darauf ankam. Das hatte
Birne schon kapiert und richtig gelogen hatte er damit nicht, war nur in
letzter Zeit weniger dazu gekommen, war auch in der Stadt München gewesen ohne
Auto, denn grün angehaucht war er auch.
Es war ein kleiner Verlag, drei außer ihm und dem Chef und
einer Praktikantin, die nicht da war, die ihren Chef begleiten durfte bei einer
Verlagsreise. Mehr wurde nicht gesagt und Birne fragte nicht und machte auch
keinen Witz darüber, obwohl ihm einer einfiel. Er wusste ja nicht, wie diese
Nettigkeit aufzufassen war, ob es am Ende eine katholische war, und dann wär’s
wahrscheinlich bald vorbei gewesen mit dieser Nettigkeit. Birne war schon auch
katholisch, ausgesprochen sogar, mit den Katholiken, mit den Christen insgesamt
kam er hervorragend aus, kannte sogar einige Namenstage, ohne in den Kalender
zu schauen, achtete an entscheidenden Stellen aber auch sehr darauf, einen Witz
zu vermeiden, selbst wenn er gepasst hätte.
Bei der Erwähnung der Praktikantin fiel ihm ein, dass er
selbst gerade keine Frau hatte, dass das ein bisschen auch der Grund war, warum
er überhaupt hier war, und dass er sich auf das Ende der Dienstreise freute.
Er bekam seinen Computer in einem eigenen Raum, er könne
jederzeit fragen, beschied man ihm.
Werner war älter und hatte viel Bart, er war von hier,
beinahe ein Original, sein Händedruck war demonstrativ kräftig, fast krampfhaft
kräftig, und sein Hemd war grün und spannte sich stolz über einer Bierwampe.
Birne mochte Bier, und Birne mochte Gemütlichkeit. Birne würde vielleicht ein
Freund Werners werden, wenn Werner zwischendurch Sehnsucht danach haben würde,
seine Frau daheim allein zu lassen und einen Abend zu entspannen. Werner redete
nicht viel, nur das Nötigste oder versuchte, auf Birne so zu wirken, als ob er
ihn erst prüfen müsse, als ob er dem Jungen aus der Stadt erst einmal xenophob entgegen treten müsse, als ob sonst die
Freundschaft nichts gelte, wenn sie gleich herzlich und, wenn man so will,
amerikanisch geschlossen werde. Werner war einer der Drei, der erste, mit dem
er zu tun hatte, der Älteste, der, den er fragen konnte, jederzeit. Birne
dachte, also gut.
Die Zweite war eine Frau, und Birne mochte sie
nicht gleich. Es war die Sigrid, und Birne merkte, dass sie für ihn ungern die
Sigrid war, sich von ihm lieber zuerst mit Nachnamen und ›Sie‹ hätte anreden
lassen wollen, aber nachdem schon Werner gleich das ›Du‹ angeboten hatte,
musste sie mitziehen. Sie war jünger als Werner, vielleicht zehn Jahre, und
damit um die Mitte 40. Birne dachte, nicht unbedingt glücklich mit all dem
insgesamt, mit den rotblond gefärbten Haaren, die dünn wurden oder immer schon
waren, dem türkisfarbenen Landhaus-Westchen, den weißen Stoffhosen, der
randlosen Brille, dem aggressiv nach außen getragenen Kleinbürgertum.
Es war kurz nach halb eins und Birne hatte
gerade beschlossen, sich übers Internet über die Freizeitmöglichkeiten seiner
neuen Heimat zu informieren. Die waren alle so sportlich hier, angeblich. Es
gab ein Schwimmbad. Schwimmen wäre in Ordnung. Könnte man machen. Ist gesund.
Und man kann sich herzeigen. Wäre eine Möglichkeit, dachte Birne kurz nach halb
eins.
Werner kam rein. »Hast du schon was gegessen?«
»Nein. Zum Frühstück.«
»Gehst mit, ich zeig dir eine Wirtschaft, da kostet es
mittags nicht viel.«
Birne war ausgesprochen froh, mitgenommen zu werden.
Sigrid hatte keine Lust. »Sie holt sich aus dem Supermarkt
einen Salat«, erklärte Werner voller Verachtung.
Der Dritte, Tim, hatte Zeit. Der Tag war schön, Sonne im
Frühjahr. Tim hatte ein hellblaues Hemd an, sagte nicht viel und bekam kleine
dunkle Flecken unter den Achseln. Werner redete, kommentierte fast jeden Baum
am Rand des Gehsteigs ihres Wegs, und Tim lachte laut und verlegen. Birne
fühlte sich ihm jetzt schon überlegen – seinen sauber gescheitelten
dunkelbraunen Haaren und seiner randlosen Designerbrille, seiner dürren
Gestalt. Sie hatten Birne gesagt, er könne sich an ihn wenden, wenn er Probleme
mit dem System habe oder allgemein irgendetwas nicht stimme mit dem Computer.
Birne hatte sich innerlich bedankt und sich gedacht, er hätte sich ohnehin an
diesen gewandt bei so einem Problem. Zu etwas waren diese Gestalten doch gut.
Birne hatte Mitleid auf dem Weg mit Tim, wollte ihn nicht
immer nur höflich lächelnd nebenhertraben lassen und
stellte ihm deshalb
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