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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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auf einen Teller und stellte diesen vor ihn hin.
    »Schlimm, was passiert ist, nicht?«
    Birne wusste nicht, was gemeint war und hielt es für sicher
»Ja, schlimm« zu sagen.
    Die Frau begann zu schluchzen. Birne wurde
verlegen. Was war Schlimmes passiert? Während er überlegte, fiel es ihm ein:
die Kinder, die dunkle Frau, die Treppe. Er hatte es hier mit seiner Nachbarin
aus dem Erdgeschoss zu tun. Sie hatte Angst, weil ein Mord in ihrem Haus
begangen worden war und weil ihr Mann nicht da war, verstand Birne. Wieso hatte
er eigentlich keine Angst? Weil er ein kräftiger junger Mann war, der Schränke
aus Kellern in erste Stockwerke tragen konnte, weil bei ihm nichts zu holen
war, weil ein Mörder nicht zweimal im gleichen Haus zuschlägt? Wieso eigentlich
nicht?
    »Ich glaube, es ist überstanden«, versuchte er zu beruhigen.
    »Gar nichts«, sagte die Frau unter nicht mehr zurückhaltbaren
Tränen.
    »Nana.« Birne. »Zufällig kenne ich den Kommissar; der sagt,
sie haben den Mörder wahrscheinlich.«
    »Ja«, jetzt schrie die Frau laut auf, und Birne wusste, dass
er was Falsches gesagt hatte, bevor sie sagte: »Sie haben meinen Mann.«
    Sie hatten ihren Mann. Wie kamen sie denn darauf?
    »Wie kommen die auf Ihren Mann?«
    »Weil wir Türken sind.«
    Irgendetwas hatte Birne noch nicht begriffen oder wusste er
noch nicht.
    Birne biss in seinen Kebab, während er der weinerlichen
Stimme der Frau zuhörte. Ihr Mann sei unschuldig, sie sei ein Opfer, was solle
denn aus den Kindern werden, der Einzige, der ihr noch bleibe, sei der Bruder,
sie, die ganze Familie seien immer in bester Stimmung mit Frau Renate Zulauf
gewesen, sie habe ihr sogar verraten, wo ihre Ersparnisse seien, falls mal was
sei. Wenn ihr Mann aus Habgier geräubert hätte, dann wäre das Geld doch jetzt
weg.
    Da war was dran, das musste Birne zugeben.
    »Uns geht es nicht schlecht mit dem Geld, nicht rosig, aber
auch nicht schlecht. Kinder können auf die Schule, unser Laden läuft. Schauen
Sie. Mein Mann hätte nie wegen Geld einen Einbruch gemacht und schon gar nicht
einen Mord. Schauen Sie, es geht uns gut.«
    Kundschaft – drei Jugendliche mit amerikanischen
Pullovern und weiten Hosen und kurz rasierten Köpfen – betraten den Laden
und einer schrie: »Mahlzeit! Döner an die Männer!« Sie lachten jugendlich,
hielten sich für die Könige des Humors und die Könige des Humors für die der
Welt. Sie stemmten ihre krummen Rücken mit den Ellbogen auf einen Stehtisch in
der Ecke Birne gegenüber. Einer, ein Blasser, grinste zu Birne herüber. Birne
wusste nicht, was der wollte und grinste nicht zurück. Der Junge sagte etwas
Leises, das klang wie »Sag halt ›Hallo‹, du Arschloch« oder so ähnlich. Birne
bekam ein bisschen Angst und konzentrierte sich auf seinen Döner.
    »Sofort«, sagte die kleine Frau und verschwand hinter der
Theke. Sobald die drei Buben am Stehtisch mit Gewürzen ihre Sandwichs
verschärften, war sie wieder bei Birne.
    »Wieso erzählen Sie das nicht der Polizei?«
    »Das hat keinen Sinn. Die hören nicht auf eine kleine Frau
wie mich und erst recht nicht auf eine ausländische und auch nicht auf meinen
Mann. Die sind alle rechtsradikal.« Sie senkte ihre Stimme bei diesen Worten,
damit die andere Kundschaft sie nicht hören konnte. Die Buben hatten doch was
verstanden und spitzten die Ohren. »Helfen Sie mir.«
    »Was kann ich tun?«
    »Ihr Essen geht aufs Haus. Wollen Sie noch was trinken?«
    »Nein, danke.«
    Sie ging zum Kühlschrank, nahm eine Plastikflasche Fanta
heraus und brachte sie Birne.
    »Hey, wir wollen auch Fanta!«, brüllte einer der
Drei, ein ziemlich Dicker mit dunklem Haar und rotem Gesicht und Kugelaugen,
die ihm beinahe davon kullerten.
    »Könnt ihr haben, müsst ihr bezahlen«, sagte die Herrin des
Ladens mit schwacher Stimme, die auch Angst verriet, eine Angst, die sie nie
gehabt hätte, wäre ihr Mann da gewesen.
    »Nein, wir wollen sie umsonst wie der Spacko da drüben«, schrie der junge Fettsack.
    »Nein, ihr müsst bezahlen.«
    Zivilcourage, dachte sich Birne, Zivilcourage.
    Auf demselben Weg, auf dem sie Birne Fanta brachte, zog sie
den jungen Leuten ihre Teller weg und stellte sie auf die Theke. Die drei
nahmen ihre Rest-Kebabs und begannen, mit Fleischschnipseln zu werfen und dazu
»Ich liebe Deutschland« zu grölen.
    Birne war überfordert, er musste jetzt was tun. »Hey!«,
schrie er zu den drei Randalierern, die ihm mit einem Lachen

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