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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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lachende Quelle des Übels. Der Junge
merkte nichts oder zu spät davon, weil er seine Kumpels einladend anschaute.
Birne griff in das weiche Gemächt . Das laue Rinnsal
versiegte bald, Birnes Griff wurde mächtiger und grub
sich tief in die gern weichende Masse, das Lachen wich zuerst einem erstaunten
Quieken, dann einem entsetzten Schrei, dem eine plötzliche Angst um eine
eventuelle Nachkommenschaft beigemengt war.
    Es half nichts, Birne hatte sich festgekrallt, er würde nie
mehr loslassen. Die zwei Freunde sahen stumm und entgeistert dem Schauspiel zu, es tat ihnen weh um das eigene Geschlecht. Der Blasse schrie
laut »Hilfe!«, und weil das nichts brachte, begann er unkoordiniert auf Birne
einzuschlagen, was auch nicht viel brachte.
    Birne richtete sich auf, ohne auch nur ein
bisschen locker zu lassen. Er spürte wieder körperwarme Flüssigkeit zwischen
seinen Fingern und wusste, dass es kein Urin war, dass er dabei war, einen
Menschen ernsthaft zu verletzen. Er riss noch einmal mit einem Ruck an den
Eiern seines Opfers und erntete ein gequältes Aufjaulen.
    »Ruft einen Notarzt«, sagte er ruhig und doch klar vernehmbar
gegenüber dem Geheule des Jungen. Er ließ ihn los und schupfte ihn mit der anderen unblutigen Hand in den Dreck.
    Birne widerstand dem Drang, auf seinen Demütiger zu
urinieren. Er wandte sich um, fürchtete nichts mehr von hinten und verschwand
in seinem Haus, in seiner Wohnung und duschte, bevor er sich hinlegte.
    Falls vor dem Haus noch ein Krankenwagen gerufen wurde, bekam
er nichts davon mit.

     

     

7. Tag
    Birne erwachte am Sonntagmorgen kurz vor halb
neun. Er würde nicht mehr einschlafen. Er fühlte einen leichten Schwindel vom
Restalkohol. Er quälte sich aus dem Bett, um sich ein Aspirin aufzulösen und
damit einem eventuellen Kopfschmerz vorzubeugen. Dabei spürte er die
Schürfungen und blauen Flecken, die ihm die Buben gestern auf dem Heimweg
beigebracht hatten.
    Er stand mit nichts als seiner Unterhose um die Lenden neben
seiner Spüle und sah einer Tablette zu, wie sie im Wasserglas sprudelnd
verschwand. Er fragte sich, wie er diesen Vorfall zu deuten hatte. Waren die
einfach nur bescheuert? Oder hing das mit dem Mord in irgendeiner Weise
zusammen? Warum waren die so wütend, wenn er sich mit Frau Kemal verstand? Wenn
er es wagte, einmal für sie die Stimme zu erheben? Die kleinen Rechtsradikalen
mussten es doch gewohnt sein, dass Bürger aufstanden, wenn sie Parolen von sich
gaben.
    Birne nahm das Glas mit der klaren Flüssigkeit und ging
zurück zu seinem Bett. Er legte sich nicht mehr hinein. Dieser Vorfall hatte
seine Entschluss- und Tatkraft gestärkt. Er würde jetzt tun, was er sich
vorgenommen hatte, er würde nicht mehr zögern. Er war härter geworden. Er hatte
etwas verstanden. Er hatte jemanden ernsthaft verletzt und würde dafür keinem
Richter Rechenschaft ablegen müssen. Wie Wilder Westen, Cowboy und so. Gegen
zehn wollte Alexa kommen und ihn abholen, sie wollten heute auf den Berg. Berge
passten Birne jetzt optimal rein. Berge konnten bezwungen werden. Birne würde
Berge bezwingen und wer Berge bezwingt, fürchtete sich vor Menschen nicht mehr.
Berge sind Jahrmillionen alt, Berge sterben nicht. Menschen sterben und sind
Jahrzehnte alt, sie sind aus Fleisch. Fleisch frisst man voller Verachtung für
die Lebewesen, denen es mal Muskeln war. Die Steine isst keiner voller Respekt
vor dem Berg, die sie mal waren. Birne würde heute einen Berg bezwingen, aber
vorher noch was erledigen.
    Er zog sich an.
    Er fand es praktisch, dass in der Packung der
Aids-Einmal-Handschuhe nicht nur ein, sondern vier Paare waren. Er zog sich das
zweite Paar über und dachte: Was wird sein, wenn ich die beiden letzten
verwenden werde?
    Er stellte sich Simones Gesicht vor und fand es noch
attraktiver als in Wirklichkeit. Er stellte sich die Rest- Simone ebenfalls vor
und zwang sich aus seiner Fantasie zurück an seine Arbeit.
    Er suchte den Schlüssel aus seiner Hose in einem
Wäschehaufen. Er hatte jetzt alles und machte sich auf.
    Er schloss seine Tür ganz vorsichtig, leise schlich er sich
durchs stille Treppenhaus. Von unten, aus Kemals Wohnung, kamen Geräusche:
Radio, eine schimpfende Frau, Kinder, die dagegen plärrten. Birne war nervös.
Er sperrte Frau Zulaufs Wohnung auf und beeilte sich, die Tür hinter sich
zuzuziehen. Es war wieder halbdunkel im Gang. Birne erlaubte sich eine halbe
Minute, um sich daran zu gewöhnen,

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