Alpendoener
»Und?«
»Nichts«, sagte Oliver. »Scheiße.«
»Wie scheiße?«
»Einfach alles scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße«,
antwortete Oliver und wollte in sein Bett gehen.
»Halt. Wo kommst du jetzt her?«
»Ach, lass mich in Ruhe. Ich will schlafen«, sagte Oliver und
schob sich durch die Tür.
»Halt!«, schrie der alte Vater, doch es hatte keinen Sinn,
der Sohn war entschwunden. Bruno sprang auf, dem Bub hinterher und eine eigene
Übelkeit runterwürgend. Er packte ihn und schüttelte ihn. »Ich habe ein Recht
zu wissen, wo du steckst. Du baust mehr Scheiße, als ein normaler Vater
ausbügeln könnte.«
»Wir haben nichts angestellt.«
»Habt ihr getrunken?«
»Sicher nicht mehr als du.«
Bruno haute seinem Sohn mit aller Kraft, die er hatte, eine
ins Gesicht, sodass der umfiel, mitten auf den Gang, einen Augenblick reglos
liegen blieb und seinem Vater einen sauberen Schrecken einjagte.
Oliver weinte, zog sich hoch, schüttelte die helfende Hand
seines Vaters ab. »Ich versteh’s langsam.«
»Was denn?«
»Warum die Mama abgehaut ist.«
Bruno brüllte. »Gar nichts verstehst du, du kannst gar nichts
verstehen, weil du immer nur mit deinem eigenen Dreck beschäftigt bist und dich
überhaupt nicht für irgendwas anderes interessierst. Du hast mehr verbockt als jeder
andere in deinem Alter und du kannst froh sein, dass du mich hast.«
»Wichser«, sagte der Sohn voll Hass und fing sich damit noch
eine Ohrfeige ein.
»Wenn du das Schuljahr auch noch vergeigst, dann kannst du zu
deiner Mutter ziehen. Dann siehst du, wie weit du da kommst bei denen, deiner
neuen Familie.«
»Du weißt, dass ich da nicht hin will. Die ganze Scheiße, in
der wir stecken, kommt doch wegen dir.« Oliver klang versöhnlich.
Bruno wollte ihn in den Arm nehmen, doch er sagte: »Lass mich
jetzt ins Bett. Ich hab’s nicht leicht« und entwischte die Treppe hoch zu
seinem Zimmer.
Bruno wollte ihm nach, wurde aber auf halber Höhe zu träge,
er rief: »Ich hab dich doch lieb«, und setzte sich wieder vor seinen
ausgeschalteten Fernseher.
Woher kam der um die Zeit? Abraham glaubte nicht, dass sein
Sohn eine Freundin hatte, dann wäre der anders. Der kam von seinen Freunden,
die hatten es krachen lassen – wie er. Hoffentlich machen die nicht aneinander
rum, hoffentlich ist er nicht schwul und redet nicht mit seinem Vater, weil er
sich geniert. Vielleicht hatte ihn einer seiner Freunde zu etwas gezwungen, und
vielleicht war er nun so. Dann, dachte sich Bruno Abraham und richtete sich ein
wenig auf aus seinem Sofa, war er immer noch Kriminaler und würde den Abschaum samt
seiner Erzeuger sauber rannehmen .
Er richtete sich noch weiter auf, und sein Kater verschwand
fast ganz. Da schellte das Telefon.
Das Telefon stand auf dem Couchtisch vor dem Fernseher. Bruno
Abraham hob ab: »Hallo.«
»Ja servus , ich hab deine Nummer
vom Werner, ich bin’s, der Birne, du weißt schon, wer ich bin.«
Natürlich wusste er es; ein wenig amüsierte ihn das, dass der
Birne jetzt anrief.
Der sagte: »Tut mir leid, dass ich dich am Sonntag störe. Ihr
wart gestern im Korbi « – Korbi hatte noch nie jemand gesagt –, »deswegen habe ich ein bisschen gewartet bis
zum Anruf.«
»Passt schon«, lautete Abrahams knappe Antwort.
»Ja, jetzt pass auf: Ich habe was anzuzeigen.«
»Schieß los.«
»Ich bin überfallen und zusammengeschlagen worden.«
Ȇberfallen und zusammengeschlagen? Bist du auch ausgeraubt
worden?«
Abraham hörte ein kurzes Knacksen, ein Zögern, in der
Leitung, bevor Birne wieder redete: »Nein, nur überfallen und
zusammengeschlagen von Jugendlichen. Was kann man denn da machen?«
»Kommt darauf an. Man müsste dich untersuchen, schauen, ob
schwere Verletzungen vorliegen. Den Staatsanwalt würde das interessieren. Die
Buben bekämen eine Sozialstrafe, soviel ist sicher, und du könntest probieren,
ob was mit Schmerzensgeld geht. Geht sicher was, meine ich. Wann war das?«
»Heute früh, als ich heimkam.«
»Woher?«
»Aus dem Korbi – ich habe gedacht,
du feierst noch, aber ich habe nur noch die anderen getroffen – du warst schon
weg.«
»Kann sein.«
»Also kurz vor dem Haus, kommen auf einmal drei so Junge auf
mich zu und lassen mich zusammenfallen.«
»Einfach so?«
»Ja, einfach so, ich habe gar nichts gemacht.«
»Hast du dich gewehrt?«
»Ja, Notwehr halt, was gegangen ist, habe ich gemacht. Ist
das wichtig?«
»Kann wichtig sein. Aber eins nach dem
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