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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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streckte dann seine rechte behandschuhte
Hand aus und öffnete das Schlafzimmer. Weiß kam ihm entgegen. Weiß war das
Licht, weiß war der Bettüberzug – abgesehen von seinen braun getrockneten
Blutflecken – und dunkelbraun mächtig dagegen der gewaltige Bauernschrank.
    Birnes Schritte klangen wie Laufen
auf dem Strand, weil sie vom Teppichboden gedämpft wurden. Er öffnete den
Schrank und erschrak nicht über das Knarren, er rechnete damit. Die
Altfrauenkleider, die das letzte Mal mit ihm herausgeflogen waren, waren
unordentlich lieblos wieder hineingeschmissen und
-gestopft worden. Birne wischte sie zur Seite und sah, was er das letzte Mal
entdeckt hatte: In der Rückwand war ein Brett locker, das konnte man zur Seite
schieben, dahinter steckte Geld. Das Geheimfach war, wenn es so offen im
Tageslicht da lag, nicht schwer zu entdecken, aber normalerweise waren die
Kleider davor, und man musste, wie gesagt, draufkommen.
    Birnes Herz schlug noch schneller.
Er zog das Brett zur Seite und war nicht enttäuscht, nur noch aufgeregter: Ein
dickes Bündel aus 100-Euro-Scheinen steckte da – Frau Zulaufs Ersparnisse.
    Birne griff zu und steckte sich alles in die Hose, was seine
Taschen ausbeulte. Er brachte alles in die Ordnung, in der er meinte, alles
vorgefunden zu haben, und zog sich lautlos zurück.
    Als er im Gang stand, konnte er dem Drang nicht
widerstehen, auch noch mal in den anderen Zimmern zu schauen. Weder im
Wohnzimmer noch in der Küche fiel ihm was auf, er musste sich am Schrank im Gang
vorbeizwängen, um das erste Mal im Leben in ihr Bad zu schauen und
festzustellen, dass auch das Bad keine Auffälligkeiten irgendeiner Art in sich
barg. Birne dachte sich: Jetzt hast du es geschafft, und war zufrieden bis
glücklich.
    Er sperrte die Wohnung von außen ab und freute sich daran,
dass er diesen Schlüssel wohl zu nichts mehr gebrauchen würde.
    Gelassen und ohne zu versuchen, seine Schritte zu dämpfen
kehrte er heim. Er streifte die Handschuhe ab und warf sie in den Hausmüll.
    Er trank ein Glas Wasser und leerte seine Taschen auf seinen
Tisch: Er hatte rund 15.000 Euro erbeutet. Das Geld schob er in einen Umschlag
und versteckte es.
    Er ging zum Telefon, nahm den Hörer in die Hand und atmete
noch einmal tief durch, bevor er einige wichtige Anrufe erledigen würde. Könnte
sein, dass er heute Abend bereits ein König wäre.

     
    *

     
    Kriminalkommissar Bruno Abraham lag auf einem
Sofa vor einem uneingeschalteten Fernsehgerät und hasste. Er hasste die Welt,
die Weiber, das Wetter, die Umstände, sich, das Fernsehprogramm. Werner sagte
immer, wenn sie schafkopften und ein Spiel auf eine
dumme Weise verloren ging: »Jetzt läuft die Scheiße bergauf.« Bei ihm lief die
Scheiße jetzt bergauf, und die Scheiße hatte einen Namen: Tina.
    Er hatte seinen Namen in der Zeitung gelesen. – Er las keine
Zeitung, deshalb hatte er erst einen Anruf von Trimalchio erhalten, daraufhin die Zeitungen gekauft und dann seinen Namen gelesen. Und in
einer war sogar ein Interview mit Bild drin. Da hatte ein Heini angerufen, den
er schwer hatte abwimmeln können, weshalb er ihm daraufhin was in den Hörer
gebrummelt hatte. Die Arschgeigen hatten alles verdreht abgedruckt, doch es
klang nicht schlecht und sein Bild daneben sah gut aus. Einige Dinge mussten
mal ausgesprochen werden und hier standen sie gedruckt. Darüber war er in eine
Feierlaune geraten und hatte Tina angerufen. Die hatte ihn abgewimmelt, wie man
eine Fliege aus dem Salat scheucht. Sie hatte ihn heiß gemacht mit ihrer SMS,
er hatte sie am Telefon darauf angesprochen, weil er lieber telefonierte als
tippte. Sie hatte was von gestern gesagt, heute wieder alles anders: Sie
spielte mit ihm. Bruno hasste es, wenn man mit ihm spielte. Die letzte
Niederlage kam wieder hoch und würgte ihn. Er hatte Angst, dass für ihn das
Geschlechterspiel vorbei war, dass er keinen Zug mehr tun könnte. Das hatte ihn
dazu gebracht, sich unheilvoll zusammenzusaufen ,
daheim und am Stammtisch, viel zu viel zu reden, ein paar Details des
vergangenen Abends zu vergessen und schließlich hier finster brütend zu erwachen.
    Es kamen Geräusche von der Tür. Er drehte leicht seinen Kopf
und sah seinen Sohn Oliver ihr gemeinsames Wohnzimmer durchqueren, in die Küche
gehen und sich, ohne abzusetzen, eine Flasche Mineralwasser hineintrinken .
    »Morgen«, sagte er fertig, als er seinen Vater bemerkte.
    »Morgen«, erwiderte der.

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