Alpengrollen: Kriminalroman
Freundin im Moment wirklich ging.
»Sag mir einfach, was ich tun soll«, schlug Anneliese vor.
»Du könntest zum Beispiel gleich mal die ganzen Gläser da hinten in die Spülmaschine räumen. Da bin ich nämlich immer noch nicht dazu gekommen. Okay?« Monika drückte ihr mit einem aufmunternden Lächeln ein Paar grüne Gummihandschuhe in die Hand.
»Wird gemacht, Chefin.«
Sie räumten und wienerten, bis die kleine Kneipe nur so in neuem Glanz erstrahlte. Dann zogen sie sich an und machten sich auf den Weg zur nahe gelegenen U-Bahn-Station. Das Wetter wurde jetzt immer schöner. Die Wolken rissen auf und der braungraue Matsch rundherum wirkte gar nicht mehr so garstig wie noch ein paar Stunden zuvor. An der Haltestelle angekommen, stempelten sie ihre Fahrscheine ab und stiegen die Treppe zu Münchens Unterwelt hinunter. Und hatten Glück. Genau in dem Moment, als sie auf dem Bahnsteig ankamen, fuhr ein Zug Richtung Marienplatz ein. Auf den nächsten hätten sie wegen der Baustelle im Bahnhof Odeonsplatz bestimmt länger als üblich warten müssen. Sie stiegen ein und waren gerade dabei, sich auf zwei gegenüberliegenden freien Plätzen niederzulassen, als ein abgerissen gekleidetes, schwarzhaariges Mädchen auf sie zustürzte.
»Euro! Hunger!« Sie hielt ihre verschmutzte Hand auf.
»Ich gebe grundsätzlich nichts für Bettlerbanden.« Anneliese wendete sich ab und blickte stur zum Fenster hinaus, an dem die Stützsäulen der langgezogenen Einstiegshalle immer schneller vorbeizufliegen begannen. Selbst, wenn du viel jünger als meine Tochter bist, dachte sie.
»Na gut. Von mir kriegst du einen Euro. Aber behalt ihn dir wenigstens selbst«, sagte Monika, obwohl sie genau wusste, dass die Kinder alles abgeben mussten. Und wehe, sie lieferten nicht an ihre Auftraggeber, dann setzte es Prügel, und zwar nicht zu knapp. Max hatte ihr das einmal genau erklärt. Organisierte Bettelei war der Fachbegriff. Meist waren es Banden aus Rumänien oder Bulgarien, die dahinterstanden. Skrupellose Erwachsene zwangen die Kinder bei Androhung von Strafe dazu, jeden anzuschnorren, der ihnen begegnete. Und die meisten Deutschen, gutmütig, wie sie nun mal waren, gaben ihnen auch noch etwas. Das wäre aber gar nicht gut, hatte Max gemeint. Besser wäre es, nichts zu geben und die Auftraggeber auf diese Weise auszuhungern. Monika wusste das alles zwar genau. Aber meistens ließ sie sich dann doch wieder von den weit aufgerissenen, großen, dunkelbraunen Augen der Kleinen erweichen. Sie taten ihr leid. Dagegen konnte sie einfach nichts tun. Obwohl sie ansonsten weder naiv noch leichtgläubig oder leicht zu beeinflussen war. Sie holte das blitzende kleine Geldstück aus ihrem Portemonnaie und gab es dem Mädel, das sich blitzschnell damit umdrehte und entfernte. Ohne sich zu bedanken oder sie eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen. Anneliese sah ihre Freundin nur kopfschüttelnd an.
»Ich weiß, ich weiß. Man soll denen nichts geben, weil sowieso nur Gangster dahinterstecken. Aber ich kann halt nicht anders, wenn sie mich so traurig anschauen«, rechtfertigte sich Monika unter den strengen Blicken ihres Gegenübers.
»Ich gebe jedenfalls nichts. Man soll das nicht tun. Das weiß jeder«, beharrte Anneliese.
»Ja. Weiß ich auch. Aber was soll’s? Und jetzt Schluss mit dem Thema. Ich mag einen
fröhlichen freien Nachmittag mit dir verbringen. Okay?«
»Okay!«
Die zwei Freundinnen stiegen eine Station vor dem Marienplatz, am Sendlinger Tor, aus und schlenderten, wieder an der Oberfläche angelangt, die Sendlinger Straße hinunter. Hier befanden sich kuschelige kleine Cafés in den Hinterhöfen und es gab jede Menge interessanter Läden. Die vierte Boutique auf ihrem Weg betraten sie schließlich und sahen sich um.
»Oh, mein Gott! Schau doch nur mal her, Monika! Hier! Ja, wie süß ist das denn? Das ist doch genau ideal für die heißen Tage. Und eins sag ich dir. Der nächste Sommer kommt bestimmt. Auch wenn es draußen gerade nicht so aussieht.« Anneliese zerrte mit großen Augen ein witzig geschnittenes, reizendes blaues Top von Lauren Moshi aus einem kleinen Stapel reizender Tops auf dem Auslagetisch in der Mitte des edlen Verkaufsraums.
»Na, dann kauf es dir doch. Es steht dir echt gut. Passt genial zu deinen grünen Augen und den blonden Haaren.« Monika hielt eine sündhaft teure, aber dafür fantastisch geschnittene, supersüße Versace-Jeans hoch. Ihre Hände begannen vor Aufregung leicht zu zittern. »Ich
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