Alpengrollen: Kriminalroman
Raintaler. Viel Spaß beim Skifahren wünsche ich. Auf Wiedersehen.« Der gemütliche ältere Beamte tippte zum Gruß lässig mit den Fingern an seine Mütze.
»Aber hoffentlich nicht so bald«, gab Max zurück, betätigte mehrmals die Zündung, bis der Motor endlich unter lautem Stottern ansprang, und fuhr los. Den Druck in der Magengegend, der sich gerade von der ganzen Aufregung her bei ihm einstellte, versuchte er gleich von Anfang an zu ignorieren. Sonst würde er nämlich die ganze Woche wieder mit der schönsten Gastritis herumlaufen. Das wusste er genau. Und das auch noch im Urlaub. Nein, danke.
Als er um die Mittagszeit in Kitzbühel ankam, lugte die Sonne hinter den Wolken hervor. Sie ließ das legendäre Nobeldorf sowie die verschneiten Berge drum herum in weißem Glanz erstrahlen. So muss ein Winter sein und nicht anders, dachte er. Ein versöhnliches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Jetzt nur noch schnell die paar Kilometer nach St. Johann rübergefahren und nachgeschaut, wo das Mädel abgeblieben war. Und dann eine halbe Blutdrucktablette extra wegen der Höhenluft und nichts wie ab auf die Piste. In sein tolles Luxushotel würde er am späten Nachmittag noch früh genug einchecken können.
Keine Viertelstunde später hielt er auf dem frisch geräumten Parkplatz vor Sabines Unterkunft. Ein angeketteter Schäferhund, der gleich rechts davon, direkt vor dem Zaun zum Nachbarn, seine Hütte hatte, lief ein Stück weit auf sein Auto zu und begann, Laut zu geben. Max hatte noch nie Angst vor Hunden gehabt und ließ sich deshalb nicht im Geringsten von dem Getöse des Vierbeiners beeindrucken. Er stieg aus, warf der grantigen Bellmaschine einen kurzen warnenden Blick zu, ging dann weiter zum Eingang der kleinen, aber recht einladend aussehenden Pension mit dem großen, dunklen Holzbalkon im ersten Stock hinüber und läutete.
Kurz darauf öffnete sich die Tür und eine füllige, mittelgroße Frau mit einer knallbunt gefärbten Punkermähne stand vor ihm. Stark geschminkt. Schwarzer Lippenstift. Im moosgrünen Morgenmantel. Sie mochte um die 40 sein, nahm er gewohnheitsmäßig zur Kenntnis, und fragte sich kurz, warum die hier oben auch schon wie die Kakadus herumliefen. War das nicht das Vorrecht der Großstadtjugend? Oder probte sie für einen Kostümball? Zu allem Übel war ja auch noch Faschingszeit. In Max’ Augen eine komplett überflüssige Sache. Nichts anderes, als die kurzfristig zwanghaft zur Schau gestellte Pseudofröhlichkeit von Menschen, die ansonsten das ganze Jahr über rücksichtslos, hinterfotzig und grantig miteinander umgingen. Und humorlos sowieso. Er selbst hatte noch nie den Drang verspürt, auf Befehl lustig sein zu wollen. War schon immer dann guter Laune gewesen, wenn es sich einfach so ergeben hatte. Aus der Situation heraus. Egal, welches Datum gerade auf dem Kalender stand oder was sonst gerade um ihn herum los war.
»Grüß Gott, der Herr«, sagte sie und sah den sportlichen Bayern in seinen altmodischen Bundhosen abwartend aus ihren großen braunen Augen an.
Man hätte die Begegnung der beiden auch ›späte Punkerin vom Lande trifft auf gediegenen Herren aus den 50er-Jahren‹ betiteln können.
»Kommen Sie wegen einem Zimmer? Da muss ich Sie leider enttäuschen. Bei uns ist alles belegt. Hahnenkammrennen, Fasching und viele Urlauber. Tut mir leid. Höchstens eine kleine Dachkammer könnte ich Ihnen noch anbieten. Die ist zwar gemütlich, aber nicht besonders komfortabel.« Sobald sie den Kopf schüttelte, zitterten ihre senkrecht nach oben stehenden, eingefetteten Haarspitzen wie kleine Antennen.
»Das ist sehr nett von Ihnen, gute Frau. Grüß Gott erst mal. Raintaler mein Name.« Er streckte ihr lächelnd die Hand hin. Sie ergriff sie, schüttelte sie kurz und trat danach wieder einen Schritt zurück in die offenstehende Tür hinein. »Aber nein danke«, fuhr er dann fort. »Ich bin zwar auf der Suche, aber nicht nach einer Unterkunft. Ein Mädchen aus München wird vermisst. Lange blonde Haare, blaue Augen, einssiebzig groß, sehr hübsch. Schauen Sie. Hier ist ein Bild von ihr.« Er holte das Foto von Sabine, das Anneliese ihm gestern Abend noch mitgegeben hatte, aus der Innentasche seines Anoraks und hielt es der schrillen Pensionswirtin vor die Nase. »Sie hat hier bei Ihnen mit ihren zwei Freundinnen ein Zimmer gemietet. Und seit zwei Tagen scheint sie verschwunden zu sein.«
»Und wer sind Sie?« Sie kniff die Augen zusammen und blickte mit
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