Alpengrollen: Kriminalroman
Heute Abend sei er jedoch ausgegangen. Aber morgen würde er bestimmt zurückrufen. Sie würde ihm auf alle Fälle ausrichten, dass die Mutter des Mädchens angerufen habe und sich Sorgen mache. Ganz bestimmt. Hundertprozentig. Gleich beim Frühstück. Doch nun müsse sie zurück zu ihrem Hausball und weiterfeiern. Sie hätte jede Menge Gäste, um die sie sich kümmern müsse.
Annie bedankte sich und legte auf. Merkwürdig. Wollte Max nicht in ein Wellness Hotel gehen? In so ein totales Luxusding? Was da wohl wieder passiert war. Aber gut. Wie auch immer. Umso besser, dass er jetzt in Sabines Pension untergebracht war. Gleich morgen früh würde sie es auf jeden Fall noch mal auf seinem Handy versuchen, falls er nicht vorher selbst bei ihr anrief. Ich mag ja hysterisch und überängstlich sein, gestand sie sich ein. Aber wenn ich mir vorstelle, die Kleine in der U-Bahn wäre Sabine gewesen. Und Monika wäre nicht in ihrer Nähe gewesen, um ihr zu helfen. Dann wird mir ganz schlecht vor Angst.
14
In der kleinen Bar ging die Post ab. Der Alkohol floss in Strömen, die Gäste tanzten auf engstem Raum und grölten lauthals die bekannten Schlager mit, die der DJ auflegte.
Ruth saß flirtend mit einem jungen dunkelhaarigen Skilehrer aus dem Ort an einem kleinen Zweiertisch im Eck. Max und Johanna standen dicht nebeneinander am Tresen und unterhielten sich. So gut das bei dem Heidenlärm, der hier herrschte, möglich war.
»Und was war dann? Hätten deine Eltern nicht woanders das Geld für dein Training herbekommen können?«, fragte Johanna ihn gerade.
»Keine Ahnung. Auf jeden Fall hat das Ganze dann sein Ende gefunden. Leider. Vielleicht würde ich sonst sogar am Samstag bei der Abfahrt starten.«
»Bestimmt. Du fährst ja schon ohne Training so toll. Schade.« Sie legte mitfühlend ihre Hand auf seinen Arm.
»Ja, schade. Aber was soll’s? Mein Leben ist auch so in Ordnung. Habe dafür später Sport studiert. Das hat fast genauso viel Spaß gemacht.« Max war seit langer Zeit einmal wieder bester Dinge. Er konnte aus seiner Vergangenheit berichten, ohne ihr nachzuweinen. Er machte sich keine Sorgen darüber, was morgen wäre. Die Sache mit Sabine verdrängte er gekonnt. Alles, was für ihn zählte, war der Moment. Sogar seine üblichen Wehwehchen hatte er völlig vergessen.
»Und was machst du jetzt?« Johanna wollte alles über ihren strammen Pistencowboy wissen.
»Mit dir feiern«, antwortete er lachend und zeigte auf ihre Getränke.
»Witzbold. Das weiß ich auch. Nein, ich meine, beruflich.«
»Nichts.«
»Wie, nichts? Gar nichts?« Sie sah ihn erstaunt an. Fragte sie sich etwa gerade, ob sie einen Millionär kennengelernt hatte?
»Ich war bei der Kripo und bin pensioniert«, klärte er sie auf.
»So jung? Geht denn das?« Ihre Finger fuhren langsam kreisförmig den Rand ihres Glases entlang.
»In meinem Fall schon. Außerdem bin ich gar nicht mehr so jung. 52.«
»Wie bitte?«
Die Musik war ohrenbetäubend laut.
»52!«
»Aber das ist doch jung für einen Mann. Und du warst ehrlich Polizist?«
»Ja, war ich. Hauptkommissar. Und jetzt arbeite ich manchmal als Privatdetektiv. Zumindest habe ich mir schon mal so eine Lizenz besorgt.« Er lächelte und trank einen Schluck.
»Dann suchst du dieses Mädchen, von dem du erzählt hast, also beruflich?«
»Nein. Ich tue ihrer Mutter nur einen persönlichen Gefallen. Sie ist eine gute Freundin von mir.«
»Wie gut?« Sie grinste.
»Wird das etwa ein Verhör?« Er grinste auch.
»Nein, nein. Das war Spaß. Es ist nur so: Mein Vater war auch Polizist. In Amsterdam.« Sie trank ebenfalls und wich seinem flirtenden Blick dabei kurz aus.
»Ausgerechnet. Na, da hatte er ja bestimmt mehr als genug zu tun.«
»Ja, das hatte er wohl.« Sie sah auf einmal gar nicht mehr so glücklich aus wie bisher.
»Und was macht er heute?«, wollte Max wissen.
»Er ist vor zehn Jahren gestorben. Bei einem Einsatz gegen eine Bande von Mädchenhändlern. Er wurde erschossen. Hatte keine Chance.«
»Das tut mir leid. Ist schon ein verdammt gefährlicher Job, wenn man es genau nimmt. Möchtest du noch was trinken?« Er wollte das Thema Polizei so schnell wie möglich wieder vom Tisch haben. Befürchtete, dass sie ihn am Ende noch fragen würde, warum er pensioniert worden war. Aber darüber sprach er nicht. Niemals. Mit niemandem.
»Ja, gerne. Noch so einen Caipirinha, bitte. Der war sehr lecker.« Sie sah ihn lange an. Er hielt ihrem Blick stand. Bis er in seinem
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