Alpengrollen: Kriminalroman
Spätestens um zehn. Nicht, dass ihr dann schon wieder über alle Berge seid. Alles klar?«
»Alles klar.«
Max war baff. Also, so was von gleichgültig ist mir ja in meiner ganzen Laufbahn noch nicht untergekommen. Verstehe einer die Kids von heute. Haben die überhaupt kein Verantwortungsgefühl mehr im Leib? Oder sind bloß diese zwei jungen Damen hier besonders dämlich?
Vorsicht, Raintaler, meldete sich eine warnende Stimme in seinem Hinterstübchen. Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Gut, ja. Zugegeben. Der Zuverlässigste war er auch nicht gerade. Aber die zwei übertrafen ihn um Längen. Man fängt doch an zu denken, wenn eine Freundin zwei Tage nicht mehr zurückkommt, um sich umzuziehen oder die Zähne zu putzen. Das kann man doch nicht einfach ignorieren. Und Annie hätten sie ja wirklich kurz einmal anrufen können. Sie wussten ja sicher von der Wirtin, dass sich Sabines Mutter Sorgen um ihre Tochter machte. Die Nummer hätte man doch leicht rauskriegen können. Wie Sabine mit Nachnamen hieß, wussten sie schließlich. Aber hast du Annie denn angerufen, meldete sich die Stimme in seinem Kopf wieder. Hast du vorhin ihre Nummer bei der Auskunft erfragt, weil dein Handy auf dem Zimmer lag? Natürlich nicht. Und obendrein konnte sie dich nicht erreichen, weil dein Handy den ganzen Tag über ausgeschaltet war. Wie immer. Schäm dich!
Er bezahlte seine Caipirinhas und wollte gerade zum Tisch zurückgehen, als neben ihm ein Streit losging.
»Du kriegst gleich eine in die Fresse, du Arsch!«, blökte ein mit bunten Federn geschmückter, der Aussprache nach offensichtlich norddeutscher Indianer.
Zumindest klang er so ähnlich wie Hein.
»Falsch! Ich hau dir eine auf deine Goschen!«, gab der schneidige österreichische Leutnant aus den Zeiten der K&K Monarchie vor ihm mindestens genauso laut zurück.
Ja, sind denn bald alle wahnsinnig? Max drehte sich zu ihnen um. Wollen die jetzt auch noch das Raufen anfangen? Wer braucht denn so was, mitten in der Nacht?
»Wie wär’s denn, wenn ihr zwei Spezialisten beide den Mund haltet und friedlich weiterfeiert wie alle anderen?«, schlug er den Streithähnen vor, stellte seine Drinks auf der Theke ab und baute sich breitbeinig vor ihnen auf.
Ihm war jetzt alles egal. Sollten sie ihn doch angreifen. Erstens hatte er seine Nerven mit genügend Alkohol zur Ruhe gebracht. Und zweitens würde er sich schon zu helfen wissen. Wie schon etliche Male zuvor in seinen langen Berufsjahren als Bulle.
»Was willst denn du, du Komiker?«, fragte der Indianer.
»Genau. Was willst denn du überhaupt? Dich hat doch gar keiner gefragt.« Der stockbetrunkene Herr Leutnant stand mit erhobenem Zeigefinger da und schaute drein, als hätte er gerade zum ersten Mal im Leben eine echte Erkenntnis gehabt.
»Ich will hier friedlich feiern. Und wenn ihr das nicht könnt, werde ich dafür sorgen, dass ihr ganz schnell vor die Tür fliegt. Und zwar höchstpersönlich. Hamma uns?« Max herrschte sie im schönsten Kasernenhofton an.
Es reichte. Genug ist genug. Da ärgert man sich eh schon den ganzen Tag lang, geht rein höflichkeitshalber auf so einen saublöden Fasching und bekommt es dann auch noch prompt mit irgendwelchen vollgesoffenen Spaßvögeln zu tun, die nicht mehr wissen, wie sie heißen. Das ist genau der Grund, warum mir die sogenannte närrische Zeit so zuwider ist. Weil nur Deppen unterwegs sind.
»Einer gegen zwei. Du traust dich ja was«, stellte der fesche Leutnant fest und sah erstaunt von dem grantigen Münchener Exkommissar zu dem aufgebrachten Häuptling aus dem Norden hinüber. »Oder gehört ihr zwei zusammen?«
»Geh, red keinen Schmarrn!« Max setzte sein altbewährtes Polizistengesicht auf. »Hier gehört niemand zusammen und herumgeplärrt wird auch nicht«, plärrte er. »Verstanden?«
»Na gut.« Der stramme Soldat zog den Kopf ein. »Es wäre ja eh bloß wegen dem nächsten Schnaps gewesen«, fuhr er einlenkend fort. »Eigentlich wäre dieser Hamburger Winnetou da an der Reihe gewesen, ihn zu bezahlen. Aber dann hat er einen Rückzieher gemacht. Und was mich betrifft, geht so etwas einfach nicht. Schon gar nicht bei uns da heroben.«
»Also gut. Dann zahl ich halt die nächste Runde«, verkündete der Küstenbewohner im Federkleid daraufhin, als hätte es nie einen Streit gegeben. »Trinkst du einen mit?« Er schielte Max erwartungsvoll aus treuherzigen Dackelaugen an.
»Danke, ich bin schon bedient. Außerdem wartet meine
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