Alpengrollen: Kriminalroman
ich heute bloß andauernd für abstruse Befürchtungen? Ach je. Die gute Annie. Die hab ich ja ganz vergessen. Die macht sich bestimmt immer noch Sorgen. Ich wollte sie doch anrufen. Wo ist denn bloß mein Handy? Er tastete eilig seine Taschen ab. Herrschaftszeiten. Klar. Es liegt abgeschaltet auf dem Zimmer. Mitsamt Annies Nummer. Wieso vergesse ich das Ding eigentlich immer wieder? Na ja. Wird schon nichts Schlimmes sein mit Sabine. Warum auch. Gleich morgen Vormittag ruf ich Annie an. Auf jeden Fall. Und bestimmt weiß ich dann auch schon mehr. Jetzt ist es eh zu spät. Sie schläft sicher schon. Wenn ich sie wecke, würde sie sich bloß unnötig aufregen.
12
Sie hatte schrecklichen Durst. Ihre Handgelenke schmerzten so sehr, dass sie kaum noch wagte, sich zu bewegen. Sie weinte. Lieber Gott, bitte hilf mir doch, betete sie. Ich habe doch niemals irgendwem was Böses getan. In meinem ganzen Leben nicht. Warum tust du mir das an? Bitte, bitte, hilf mir doch, hier herauszukommen. Ich kann nicht mehr. Mir tut alles nur noch weh und ich habe Angst. Schreckliche Angst. Bitte tu doch was. Bitte mach, dass diese ekligen Männer von gestern nie wieder zurückkommen.
Sie schlugen sie. Immer und immer wieder. Es mussten drei gewesen sein. Sie machten sich einen Spaß daraus, sie zu quälen. Sobald sie vor Schmerzen aufschrie, lachten sie. Sie schlugen mit der flachen Hand und mit der Faust zu. Und getreten hatten sie sie auch. Gegen ihren Kopf, in den Bauch, gegen ihre kleinen Brüste. Es ist alles nur ein böser Albtraum, sagte sie sich gerade zum hundertsten Mal. Gleich wachst du daheim in deinem gemütlichen Zimmer auf und alles ist vorbei. Von wegen vorbei, wusste sie im nächsten Moment. Im Gegenteil. Es wird immer schlimmer hier in deinem Verlies. Bis gestern haben sie wenigstens nicht zugeschlagen. Doch nun ist das anders. Sie hätte nie gedacht, dass Menschen so widerwärtig sein können. So eiskalt und brutal. Ohne das geringste schlechte Gewissen, wenn es darum ging, anderen Schmerzen zuzufügen.
Sie begriff nicht, was hier mit ihr geschah. Weigerte sich, es zu begreifen. Begann, leise vor sich hin zu summen. Schlaf, Kindlein, schlaf …
Ihr Vater hatte sie noch nie geschlagen. Daheim wurde immer alles besprochen. Und manchmal im Streit geschrien. Na gut. Wo denn nicht? Aber so etwas wie gestern …
Sie begann wieder zu weinen. Brach unter der Last, die sie seit Tagen trug, zusammen. Konnte sich erst gar nicht mehr beruhigen. Spürte dann nichts mehr. Außer völliger Erschöpfung.
13
Monika und Anneliese saßen in der U-Bahn nach Hause. Die Bar, in der sie noch vorbeigeschaut hatten, war voll mit betrunkenen Fußballfans gewesen. Und so hatten sich die zwei Freundinnen schnell darauf geeinigt, dass es für heute genug sei. Noch drei Stationen und sie wären so gut wie zu Hause. Anneliese hatte noch einmal versucht, Max zu erreichen, dann aber resigniert aufgegeben. Sie würde es gleich morgen früh wieder versuchen. Und vielleicht hatte Sabine ja auch längst daheim auf den Anrufbeantworter gesprochen.
»Hey, du Fotze. Ich fick dich!« Ein paar Sitzreihen weiter standen zwei dunkelhaarige Jugendliche in Jeans und Lederjacke vor dem Platz eines gerade mal 13-jährigen Mädchens und vollführten eindeutige Bewegungen mit den Hüften. »Deine Kohle raus, sonst wirst du gestiefelt! Los, mach schon.«
Der Kleinere der beiden schlug ihr mit der flachen Hand auf den Kopf. Sie duckte sich. Versuchte, ihren Kopf mit beiden Händen vor seinem nächsten Schlag zu schützen. Wagte kein Wort zu sagen. Erstarrte. Offensichtlich hatte sie große Angst.
»Was is los, Fotze? Kannst du nicht hören?«
»Hey, ihr zwei. Schluss jetzt! Wenn ihr unbedingt zeigen wollt, was ihr drauf habt, dann legt euch mit Leuten an, die so groß sind wie ihr. Lasst die Kleine in Ruhe! Auf der Stelle! Kapiert?« Monika war aufgestanden und hatte sich zwischen die großmäuligen Rotznasen und ihr zitterndes Opfer geschoben.
»Was willst du, Fotze? Was geht dich die kleine Fotze an? Komm schon, verpiss dich. Aber schnell. Sonst stech ich dich ab. Kapiert?« Der Größere mit den längeren Haaren zog ein Schnappmesser und hielt es Monika vor die Nase.
»Hey, Dragan, hör mit dem Scheiß auf. Komm schon. Hauen wir ab. Das ist voll die Scheiße.« Der Kleinere mit der breiten Boxernase schien der Vernünftigere zu sein.
»Nix da hau ich ab, Mann. Gar nicht. Ich stech die Alte ab. Beschissene Fotze! Soll sie in Blut liegen.« Er
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