Alpengrollen: Kriminalroman
geliftetes Gesicht keine Risse bekommt. Aber Respekt, Herr Chirurg. Gute Arbeit. Nur die Falten am Halsansatz lassen ihr wahres Alter vermuten.
»Hat er etwas angestellt, unser Helmut?«, erkundigte sie sich mit leiser Besorgnis in der Stimme.
»Grüß Gott, noch mal«, sagte Max zunächst höflichkeitshalber und streckte ihr die Hand hin. Dann fuhr er mit der Beantwortung ihrer Frage fort. »Nein, er hat nichts angestellt. Aber ich hoffe, dass er mir bei der Suche nach der Tochter einer Bekannten helfen kann. Die ist anscheinend mit einem Freund Ihres Enkels auf und davon. Und ihre Mutter macht sich größte Sorgen, weil sie sich nicht mehr bei ihr daheim meldet.«
»Ach so. Na, Gott sei Dank. Warten Sie. Ich rufe ihn eben. Und dann muss ich auch schon los. Wie Sie sehen, war ich gerade schon auf dem Weg nach draußen. Ich muss nämlich zum Friseur.« Sie strich sich kurz mit ihren beigefarbenen Lederhandschuhen über ihre lilafarbenen Locken.
»Wunderbar. Vielen Dank, gnädige Frau.«
»Helmut, kommst du bitte einmal? Ein Herr Raintaler will dich sprechen!«
»Ja, Oma. Ich bin gleich unten«, kam es von irgendwo oberhalb der breiten Marmortreppe, die im hinteren Bereich der imposanten Empfangshalle in das nächste Stockwerk hinaufführte.
»Sie haben es selbst gehört, mein Herr. Er wird gleich da sein. Und mich entschuldigen Sie jetzt bitte. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen.«
»Bernhard, wir können!«, rief sie gebieterisch und wesentlich lauter, als Max es ihr zugetraut hätte.
Ein Chauffeur in schwarzer Uniform und Mütze trat daraufhin aus einer der zahlreichen Türen, die zum Vorraum führten. Er nickte Max im Vorbeigehen kurz artig zu. Als er seine Chefin erreicht hatte, hakte sie sich wortlos bei ihm unter und beide begaben sich gemessenen Schrittes hinaus.
»Hallo!« Der zirka 20-jährige junge Mann in Jeans und weißem Hemd, der kurz darauf die Treppe herunterkam, sah Max neugierig durch dicke, runde Brillengläser an.
»Hallo, Helmut. Ich bin Max Raintaler aus München. Und ich hätte da mal eine Frage an dich. Kennst du einen gewissen Fridolin?«
»Ja … Schon … Wieso?« Helmut überkreuzte seine Arme vor der Brust und lehnte sich abwartend an das Treppengeländer hinter ihm.
»Es ist so«, fuhr Max lächelnd fort, »ich bin ein guter Freund der Mutter von Sabine, dem Mädchen aus München, das vor drei Tagen mit euch in Kitzbühel in der Kneipe war. So eine hübsche Blonde. Hier, schau her. So sieht sie aus.« Er näherte sich ihm und hielt ihm Sabines Foto unter die Nase.
»Die kenne ich, stimmt. Das ist Bine. Die ist doch mit Fridolin nach München gefahren.« Helmut stellte sich wieder gerade hin. Er nahm das Foto in die Hand, um es genauer zu betrachten.
»Was sagst du da?« Max glaubte, sich verhört zu haben.
»Na, das ist Bine. Eindeutig.« Er schüttelte seine langen, blond gelockten Haare nach hinten und zeigte mit seinem Finger auf ihr Gesicht. »Die zwei sind vorgestern nach München gefahren«, fuhr er fort. »So gut kenne ich Fridolin auch wieder nicht. Ich hatte ihn nur für ein verlängertes Wochenende eingeladen, weil meine Eltern nicht da waren. Aber ich weiß, dass er eine Wohnung gleich bei der Isar hat. Und da wollte er mit ihr hin.« Helmut schien nichts zu verbergen zu haben. Er blickte Max offen in die Augen.
»Bist du dir ganz sicher?«, hakte der noch mal nach. »Sabine hat nämlich ihre ganzen Sachen bei ihren zwei Freundinnen im Hotelzimmer liegen lassen. Und sich nicht mehr bei ihnen gemeldet. Auch bei ihrer Mutter nicht.«
»Das wundert mich nicht«, erwiderte Helmut. »Die waren ja andauernd unter Strom, die beiden. Entweder haben sie gekifft oder was getrunken. Oder beides. Da hätte ich wahrscheinlich auch vergessen, jemanden anzurufen. Gott sei Dank kommt meine Oma nie zu mir ins Dachgeschoss hinauf. Die hätte wahrscheinlich der Schlag getroffen.«
»Na, da weiß ich ja jetzt schon mal mehr. Ich hatte schon befürchtet, es wäre ihr etwas zugestoßen. Da wird sich ihre Mutter aber freuen. Na, wunderbar.« Max steckte das Bild wieder ein und atmete erleichtert auf. Eine Liebschaft unter jungen Leuten. Er hatte mal wieder recht behalten. Dann war es also vielleicht doch Sabine gewesen, die er in Mühldorf gesehen hatte, als er gerade den Reifen wechseln ließ. Könnte doch sein. Anneliese würde bestimmt vor Freude weinen, wenn sie das hörte. Das mit dem Kiffen musste er ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
»Sag mal, weißt du, wie
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