Alpengrollen: Kriminalroman
fahren, in dem er schon öfter Zuflucht gefunden hatte, wenn er einmal untertauchen musste. Es zog dort um diese Jahreszeit zwar eiskalt durch die Ritzen. Aber er wäre wenigstens in Sicherheit. Und dann würde er schon sehen, wie alles weiterging. Auch das mit diesem Mädchen, dieser Sabine.
20
Es war neun Uhr. Max saß am Tresen der Bar, in der er gestern mit den Holländerinnen gefeiert hatte, und wartete auf Johanna. Er hatte den ganzen Nachmittag und Abend über versucht, sie anzurufen. Doch ihr Handy war nach wie vor abgeschaltet. Noch eine Nachricht wollte er ihr nicht hinterlassen. Das hätte ja regelrecht aufdringlich ausgesehen. Also war er vorhin mit dem Taxi hierher gefahren und hatte sich an die Bar gesetzt. In der stillen Hoffnung, dass sie seine erste Nachricht abgehört hatte und ebenfalls kam.
Franz hatte sich nicht mehr gemeldet. Und war auch selbst nicht mehr zu erreichen. Wieso haben eigentlich alle Leute ein Handy, wenn sie sowieso nicht rangehen oder es dauernd nur ausgeschaltet lassen, fragte er sich kurz und gab sich selbst die Antwort. Weil die, genau wie du, keine Lust haben, andauernd mit so einem ungesunden funkenden Herzschrittmacher durch die Gegend zu laufen. Und aufladen musste man es ja schließlich auch noch andauernd, wenn es im Dauerbetrieb lief. Und dabei vergaß man es dann natürlich wieder irgendwo. Zum Beispiel im Badezimmer, unter dem frischen Wäscheberg auf der Waschmaschine, wo man es vorhin an das Netzgerät angeschlossen hatte. Und, und, und …
Wahrscheinlich hatte Franz niemanden in der Klenzestraße 19f angetroffen und war gleich zu sich nach Hause oder noch auf ein Bier gegangen. Gleich morgen Vormittag würde er es wieder bei ihm versuchen. Er hätte wirklich zu gern gewusst, wo Sabine denn nun abgeblieben war. Dann würde er endlich seinen Urlaub in aller Ruhe genießen können. War sie bei ihrem neuen Freund? Oder ganz woanders? Herrschaftszeiten. Man verschwand doch nicht einfach so. Ohne irgendjemandem irgendetwas zu sagen. Oder doch? Und jetzt auch noch dieser merkwürdige Erpresserbrief. Und diese andauernden Anrufe von Anneliese und Monika. Der reinste Stress. Durfte man denn selbst gar nicht mehr leben?
Beim letzten Anruf Monikas hatte er ihr dann auch gesagt, dass genug telefoniert worden sei und dass er sich schon von selbst melden würde, wenn er etwas Neues wüsste. Franz habe ihm versprochen, er schaue bei diesem Glanzeder in der Klenzestraße 19f vorbei. Und sobald der sich wieder bei ihm rührte, wüsste man bestimmt mehr. Aber bis dahin hätte er keine Lust mehr, andauernd ans Telefon zu gehen. Und das müsste sie bitte auch verstehen. Schließlich hätte er Urlaub. Und etwas ganz Schreckliches würde Sabine schon nicht passiert sein. Junge Leute würden eben manchmal einfach Dinge tun, die ihre Eltern und andere Erwachsene nicht verstehen könnten. Monika hatte daraufhin zwar beleidigt aufgelegt, aber das war ihm egal. Genug ist genug, hatte er sich gesagt. Irgendwann muss ich auch mal an mich denken.
Doch als er jetzt so allein am Tresen saß, holten ihn die Gedanken an die leidige Sache wieder ein. Und ein paar Zweifel gesellten sich dazu. Warum rief Franz nicht an? War ihm etwas zugestoßen? Ist Sabine doch entführt worden? Und war der Erpresserbrief etwa gar kein dummer Lausbubenstreich, wie er die ganze Zeit über angenommen hatte? Möglich wär’s. Oder war es ganz anders? Dann holte ihn die Realität wieder ein. Jemand stand hinter ihm und klopfte ihm sanft auf die Schulter. Er drehte sich um.
»Gott sei Dank!«, rief er erleichtert aus. »Da bist du ja, Johanna. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht bei der Hütte war. Aber den ganzen Tag läutete mein Telefon wegen dem Mädchen, das ich finden soll. Und dann war es schon zu spät zum Skifahren. Und du bist nicht an dein Telefon gegangen, obwohl ich es immer wieder versucht habe …«
Sie unterbrach seinen Wortschwall, indem sie ihm ihren Zeigefinger auf den Mund legte und ihn einfach nur anlächelte. Und innig küsste. »Sorry, Max. Aber ich war mit Ruth in Kufstein«, erklärte sie, als sie wieder reden konnte. »Wir waren beim Shoppen und haben uns die Burg angeschaut. Und Essen waren wir auch. Ich hatte mein Handy im Hotel vergessen. Und konnte deine Nachricht erst vorhin abhören.«
»Ach, dann warst du nicht bei der Hütte oben?«
»Nein, tut mir leid. Ich wollte dir noch Bescheid geben. Aber leider hatte ich deine Nummer nicht, und dann vergaß ich
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