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Alpengrollen: Kriminalroman

Alpengrollen: Kriminalroman

Titel: Alpengrollen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerwien
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zustande. Dann weinte sie. Die kleine Hand strich ihr über den Kopf. Dann entfernten sich die leisen Schritte wieder. Die Tür wurde geöffnet und gleich wieder geschlossen. Sie war allein.
    Als kleine Kinder hatten sie und ihre Schwester sich einen Spaß daraus gemacht, mit verbundenen Augen durch das Haus der Eltern zu gehen. Möglichst ohne dabei etwas umzuwerfen. Sie hatten sich nur auf ihr Gehör, ihren Geruch und ihren Tastsinn verlassen. Genau wie sie das im Moment auch tat. Nur mit einem kleinen Unterschied. Damals konnten sie ihre Binden jederzeit wieder abnehmen. Hier konnte sie das nicht. Egal, wie sehr sie sich bemühte. Unter starken Schmerzen versuchte sie, ihre Fesseln loszuwerden. Jetzt, da sie gelockert waren, könnte es ihr gelingen. Mist. Es gelang nicht. Jedenfalls noch nicht. Erschöpft legte sie sich auf die Seite und wartete, bis sich ihr keuchender Atem wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann startete sie einen neuen Versuch. Sie musste hier raus, bevor sie ihr noch Schlimmeres antaten als bisher. Unbedingt. Koste es, was es wolle.

22
     
    Max war vor zehn Minuten aufgewacht, hatte kurz seinen Blutdruck gemessen und eine Tablette eingenommen, sich dann angezogen und war ohne Johanna, die noch tief schlief, in den Frühstücksraum an seinen Tisch hinuntergegangen. Er musste einfach mal wieder für ein paar Minuten alleine sein. Als Maria ihm den Kaffee hinstellte, betrachtete sie ihn mit einem kurzen, kritischen Blick, ging wieder in die Küche und kam mit einem frisch gefüllten Krug von Omas Katergetränk zurück. Sie stellte den Tiroler Wundertrank lächelnd auf dem Tisch ab, legte eine Tageszeitung daneben und verdrückte sich hinter ihren Tresen.
    Eine gute Wirtin spürte einfach, wann ein Gast nicht reden wollte. Max schluckte ein Glas von der kalten braunen Brühe hinunter, goss sich anschließend einen Kaffee ein und wollte gerade sein Frühstücksei köpfen, als ihm auf einmal Franz einfiel. Er rief gleich auf dessen Handy und in seinem Büro an. Und hatte kein Glück. Auch zu Hause bei seiner Frau war er nicht zu erreichen. Sandra raunzte nur irgendeine abfällige Bemerkung über Männer und ihre Midlifecrisis in den Hörer. Um sie nicht noch mehr aufzuregen, verriet er ihr nichts von der Abmachung, die er und ihr Mann gestern Abend getroffen hatten, sondern rief lieber gleich bei Monika an. Die Kollegen von Franz wollte er zunächst aus der Sache heraushalten. Er war sich nicht sicher, ob es seinem Freund recht gewesen wäre, vor seinem Chef eventuell eine, streng genommen, illegale Hausdurchsuchung rechtfertigen zu müssen.
    Monika gab sich zwar am Anfang noch verschnupft wegen ihres letzten Telefonates gestern, bei dem er sie ja so genervt abgewürgt hatte. Dann lenkte sie aber gleich ein, weil ihr bewusst wurde, dass Max und Franz die ganze Zeit über auch nichts anderes als helfen wollten, und versprach, gleich mal rüber in die Klenzestraße zu fahren, um dort nach dem Rechten zu sehen. Ihr würde schon einfallen, wie sie sich Zugang zu der Wohnung von diesem Glanzeder verschaffen würde. Sobald sie mehr wüsste, würde sie sich wieder bei ihm melden.
    Er legte auf und vertiefte sich in die ›Kleine Zeitung‹, die hier jeder gerne las, weil sie über alles Mögliche aus der Region berichtete. Der Aufmacher auf Seite eins war: ›Der Anschlag auf die Streif! Bekennerschreiben aufgetaucht. Radikale Splittergruppe der Tiroler Bergbauern fordert mehr Unterstützung von der EU!‹ Das Attentat auf die Skipiste sei erst der Anfang, um auf die Existenznot der vernachlässigten Randgruppe aufmerksam zu machen, hieß es in dem Artikel darunter. Weitere Aktionen würden folgen, wenn nicht bald etwas geschähe, sprich umfangreiche Subventionen flössen. Die anderen Bergbauern distanzierten sich deutlich von dem Attentat. Ihr Sprecher bezeichnete die Aktivisten als depperte Chaoten, die sich nur wichtig machen würden. Mit den wahren Bergbauern hätten sie nicht das Geringste zu tun. Ja, da schau her, staunte Max. Die waren das also. Manche Leute machen es sich schon verdammt einfach. Was wäre denn los, wenn jeder, der mit seiner Situation unzufrieden ist, gleich damit anfinge, Bomben zu schmeißen? Dann könnten wir uns doch bald alle von unserer schönen Welt verabschieden. Oder etwa nicht? Gott sei Dank ist bei der Explosion vorgestern ja niemand verletzt worden, sagte er sich und blätterte kopfschüttelnd weiter. Dabei blieben seine Augen auf dem Bild einer toten Frau und der

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