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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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der Mann landete hart auf dem Boden, auf dem er regungslos liegen blieb. Man sang: »Afeirinseskei.« Bevor jemand helfen konnte, wurde der Thekenspringer von mehreren Seiten mit Schnaps bespritzt. Ein paar versuchten ihn mit den Füßen zum Zucken zu bringen. Plötzlich wie von einer Hornisse gestochen hüpfte er wieder auf die Beine und lallte schreiend: »Nix passiert!« Die Umstehenden rissen johlend die Hände in die Luft und ließen sich auf eine Runde einladen und die Geschichte vom AC/DC Open Air anno ’96 in Stuttgart erzählen. »Drei Tage nur Regen, aber so geil, Alter, so geil.« Trimalchio holte weit aus und steckte seine Zunge tief in Tanjas Hals. Ein blonder Bär griff ihm von hinten an die Schulter, riss sein Geschmacksorgan schmerzhaft aus Tanjas Kehle und sagte ungestüm über die dröhnende Musik aus den Boxen: »Ich habe gehört, ihr seid von der Polizei.«
    »Ja und? Was geht’s dich an?«
    »Wir wollen hier keine von der Polizei, die machen uns nur die Stimmung kaputt.«
    »Ich bin privat hier. Siehst du das nicht, du Depp?«
    »Das ist mir wurscht«, sagte der Große und haute Trimalchio fest ins Gesicht mit der Faust.
    Trimalchio trat zurück, mit dem Fuß mitten ins Zentralmassiv seines Gegners. Auch wenn der sich krümmte, hätte Trimalchio gern weiter Gletscherabrieb betrieben, doch er sah sich einem unschlagbaren Haufen aus circa zehn Mann Landvolk gegenüber. Tanja und Trimalchio mussten sich durch die dicht stehenden Leiber quetschen, um nicht augenblicklich gelyncht zu werden. Doch das Erreichen des freien Bierzelts, wo sie zwischen den Bänken durchspringen konnten, verbesserte ihre Lage nicht: Im Takt von »Lustig ist das Zigeunerleben« flogen Bierkrüge nach ihnen. Keiner traf sie, einige streiften sie. Sie kamen ins Freie, über 100 waren hinter ihnen her. Sie schrien »Haut die Bullenschweine platt.« Im Zelt sangen sie: »Brauchen dem Kaiser kein Zins zu zahlen.« Der Weg zum Parkplatz wurde ihnen versperrt durch grölende Randalierer. Sie waren 100 heute und morgen war es keiner, da konnten die sich schwarz ermitteln. Mob ist Mob und Mob tötet in Bayern. Eine Kugel aus dem Luftgewehr des Schießstandes riss Trimalchios Wange auf. Er stand da wie gelähmt. Tanja zog ihn mit auf die Straße, lieber überfahren als erschlagen werden. Ein alter Opel bremste neben ihnen. Sein uralter Fahrer stieß die Beifahrertür auf und bellte: »Steigen Sie ein!«
    Tanja und Trimalchio warfen sich auf die Rückbank und das Auto raste mit 30 Sachen davon. Der Fahrer sagte »So. Jetzt sind Sie in Sicherheit« und ein Maßkrug zerschlug die Heckscheibe des Wagens. Sie fuhren ohne anzuhalten weiter, kamen irgendwann aus dem Dorf, der Opelaner beschleunigte auf 60 Stundenkilometer und brachte sie weg vom Ort des Schreckens.
    Kaum waren Tanja und Trimalchio geflohen, beruhigten sich die Feiernden wieder, sie kehrten zum Bier zurück und waren fröhlich ohne Zwischenfall bis tief in die Nacht. Später entdeckten sie noch das Auto der beiden und nachdem es anfangs nur ein paar einzelne vollurinierten und mit Stuhl verschmierten, wurde es schließlich gründlich in seine Einzelteile zerlegt.
    Tanja bat: »Können Sie uns am nächsten Bahnhof rauslassen?«
    Ihr Retter drehte sich um und grinste ihnen zahnlos entgegen: »Bestimmt nicht. Ich bringe euch dorthin, wo ihr das kriegt, was ihr wirklich braucht.« Dann lachte er teuflisch.

Organisation
    Mit Mühe konnte er sich auf den Verkehr konzentrieren. Katharina hatte ihm ihr Auto schulterzuckend überlassen. Er konnte ihr nicht erklären, wo er hin wollte und er konnte auch das Gespräch nicht auf die ominösen Dateien auf ihrem Computer lenken, ohne dass sie Verdacht schöpfte. Sie starrte im Wesentlichen geradeaus und drehte nur leicht den Kopf beim Abschiedwinken. Er sagte, er wisse nicht, wann er zurück sei; sie fand es okay und fragte nicht, wo er die Nacht verbringen wolle. Jetzt auf der Straße ploppten die Bilder in seinem Kopf wieder auf und verwirrten ihn umso gewaltiger. Lugner wohnte in einem kleinen Dorf namens Oberschöneberg, sein Haus war schön versteckt in einer Seitenstraße, von außen sah man nur die Garage und den Hauseingang und konnte die Ausmaße des geräumigen Bungalows samt seines großen, uneinsehbar eingeheckten Gartens nicht einmal ahnen. Er parkte an der Straße, öffnete das Hoftor und schnurstrackste auf die Haustür zu. Wie einen Windhauch vor einem Gewitter spürte er es: Der große Köter, den er zuletzt den Collie

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