Alpenkasper
fetter als auf freiem Feld. Der Verschwörer, der vor ihm saß, fragte sich, wie der Dicke da hinten rein gekommen war und ob er wieder rauskommen würde, wenn sie beide fertig wären. Der Verschwörer hatte die Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Mitteleuropäers gerade hinter sich gebracht, für den Anlass hatte er sich ein T-Shirt mit der Aufschrift »42« vorne und auf dem Rücken »Stellst du dir die richtigen Fragen?« angezogen.
»Sie haben übers Internet von uns erfahren«, wusste Lugner. »Das freut uns, das heißt, dass unsere Seite gelesen wird.«
»Ich habe auch eine Seite, einen Blog, in den ich die Wahrheit schreibe. Die Medien lügen einen an, die betrügen die Massen: Die Medien sind alle in einer Hand. Wer die Wahrheit will, muss sie suchen. Ich kenne die Wahrheit.«
»Wir kennen die Wahrheit.«
»Ich will was unternehmen. So kann das nicht weitergehen. Die Welt rennt in den Abgrund und ich muss zuschauen, weil uns keiner wahrnimmt.«
»Wir suchen Menschen wie Sie, wir wollen etwas unternehmen.«
»Ich glaube, es gibt viele, die denken wie ich. Die schreiben mir, ich kann eine Legion auf die Beine stellen.«
»Aber man muss vorsichtig sein«, warnte Lugner. »Darunter sind auch falsche Freunde. Ich habe gerade eine böse Enttäuschung einstecken müssen. Und es war nicht die erste. Alle büßen das, wenn sie mein Vertrauen missbrauchen. Die müssen das leider blutig büßen. Traurig.«
»Wenn jemand die Wahrheit kennt, dann wird er auch nicht fallen.«
»Braucht jemand noch was?«
»Ich nehme ein Spezi«, sagte der Verschwörer.
»Würden Sie einen Menschen umbringen, wenn er unseren Zielen im Weg steht? Die Frage ist eine rein moralische, rechtlich kann Ihnen nichts passieren. Wir sind mächtig genug, Sie vor den Konsequenzen zu schützen.«
»Was haben Sie vor?«
»Ich will es so ausdrücken: Unser großer Schlag steht kurz bevor. Diejenigen die am Schicksalstag auf der richtigen Seite stehen wollen, müssen absolut integer sein. Und das müssen wir testen. Wir werden wahrscheinlich knietief im Blut unserer Feinde stehen, keiner kann garantieren, dass nicht einer von uns unter den Opfern sein wird. Wir brauchen Kämpfer.«
Das Spezi kam, der Verschwörer dankte und schwieg dann.
Lugner bestellte noch ein Weizen. »Sind Sie bereit, einen Menschen mit Ihren Händen zu töten?«
»Ja schon, wenn es der Wahrheit dient.«
»Bestimmt.« Lugner schob ihm ein Foto über den Tisch.
»Wer ist das?«
»Ein Mann, der mich schwer enttäuscht hat.«
Jakob. Mike schluckte.
Besichtigung
Der Kunde wollte wissen, warum das Objekt zum Verkauf stehe.
»Es gehört einem hier ansässigen Heilpraktiker, dem ist die Praxis eingegangen. Dann haben wir von der Bank das Haus kassiert. Die Leute haben kein Geld mehr für Voodoo.«
»Es ist riesig. Da müssten zwei Familien einziehen.«
»Dafür ist es günstig.«
»Man muss halt viel machen. Wenn Sie nicht bald jemanden finden, fällt es in sich zusammen.«
Der Mann von der Bank rückte seine Krawatte zurecht und forderte seinen Kunden auf, sich erst den Rest anzusehen. Im Wohnzimmer schloss er die Terrassentür und entschuldigte sich für einen Haufen Hundedreck, der auf dem weißen Teppich lag.
»Haben Sie das Geräusch gehört? Es kam von oben. Wo ist denn der jetzige Besitzer?«, fragte der Kunde.
Der Verkäufer sagte: »Er will das nicht mitbekommen, irgendwie spekuliert er auch noch darauf, das Anwesen retten zu können. Tja, die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Beide lachten.
Sie gingen in den ersten Stock. »Die Schränke sind ja riesig, da kann sich jemand drin verstecken.«
»Der Vorbesitzer hatte hier seine Praxis. Als die noch lief, war das nicht überdimensioniert, da saßen hier die Patienten. Jetzt, wo das Geschäft zusammengeschrumpft ist, wirken die Räume größer.«
»Ist die Praxis ganz zu?«
»Offiziell nicht. Offiziell behandelt er noch, allerdings auch nur noch an zwei Tagen in der Woche und wenn ich den Nachbarn trauen darf, kommt da auch keiner mehr.«
»Was sind das für Nachbarn?«
»Ganz nette, einfache Leute, er ist pensioniert, war mal Volksschullehrer, hat jetzt Bienen.«
»Bienen? Die fliegen mir doch in den Garten und stechen mich.«
»Nein, die hat er nicht hier, die hält er am Waldrand. Waldhonig«, beschwichtigte der Bankmann.
»Der Sohn von unserem jetzigen Nachbarn war mal bei Abbeten mit seinem Asthma, seitdem ist es weg. Wie ein Wunder.«
»Der Lugner ist kein Abbeter,
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