Alpenkasper
Zeug. Eine Bekannte von uns ist mal hin mit ihrem Bub, der Heuschnupfen gehabt hat. Danach musste er angeblich nicht mehr niesen im Freien, wenn es Frühling geworden ist. Sagt sie. Ich bin im Zwiespalt. Wenn es hilft, dann kann es ja auch helfen, wenn man fest genug daran glaubt. Oder es geht von selbst wieder weg. Einen Mordszulauf hat er jedenfalls gehabt da nebenan, manchmal haben sie uns hier komplett eingeparkt. Wir sind gar nicht mehr aus dem Hof rausgekommen mit dem Auto, auch da hat er sich taub gestellt, wenn wir uns beschwert haben. Ich habe meinen Mann Schilder aufstellen lassen. Ich glaube, ich rieche meinen Zopf. Einen Moment, ich hole ihn aus dem Ofen, frisch ist er am besten.«
Allerdings war er frisch hervorragend und dazu passte der selbst geschleuderte Honig des Lugner-Nachbarn, der es stark bedauerte, dass ihm über den Winter gleich drei seiner fünf Bienenvölker eingegangen seien. »Die Scheißmilbe, da werden wir heuer auch weniger Äpfel und Zwetschgen bekommen. Gott sei Dank haben wir vom letzten Jahr noch was eingefroren für den Datschi zu Allerheiligen.«
»Ist der Lugner ein Abbeter?«, fragte Trimalchio.
»Nein.« Der Imker schüttelte vehement seinen Schädel. »Der ist ganz gegen die Kirche. Er lässt nicht mal die Sternsinger rein. Die katholische Kirche hasst er, gegen die Pfaffen hat er wild gewettert. Am Anfang, als er hergezogen ist und wir noch miteinander geredet haben, war das ein Reizthema. Wenn du ein Wort von der Kirche gesagt hast, ist er losgegangen: Wie die Spinner in Rom die Leute für dumm verkaufen und ihnen das Geld aus der Tasche ziehen. Ich habe nichts mehr gesagt darauf und mir nur gedacht: Da redet der Richtige.«
»Was ist mit seiner Frau?«, fragte Tanja.
»Eine unauffällige Person«, berichtete die Nachbarin. »Man sieht sie selten. Im Dorf ging das Gerücht rum, dass sie wochenweise gar nicht zuhause ist, es hieß, die Ehe sei kaputt. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie kaum noch gesehen, nachdem der Lugner diesen Assistenten hatte.«
»Was für ein Assistent?«
»Ein eigenartiger Mensch. Der war plötzlich da, ein Herr, etwa halb so alt wie die Lugners. Man hat gemeint, es sei der Sohn, der vom Studieren heimgekehrt ist, weil er nirgends eine Arbeit findet. Ein gepflegter, korrekter junger Herr. Man hat gesehen, wie er mit den Hunden spazieren geht. Wie man dann aber die Frau Lugner gar nicht mehr gesehen hat, hat es plötzlich geheißen, der junge Mann ist gar nicht der Sohn vom Lugner, sondern der Freund. Der Lugner melkt seine Patienten und jetzt hat er einen, der ihn melkt. Geschieht ihm recht, hat man gesagt, auch wenn man die Frau dann doch wieder gesehen hat, angeblich sogar mit dem Jungen reden.«
Der Nachbar fuhr fort: »In der Zeit, wo er so verliebt war, ist ihm die Praxis immer schlechter gegangen. Wir haben es am Zulauf gesehen. Nur noch an zwei, drei Tagen in der Woche kamen die Kranken und weit nicht mehr so viele. Dafür hat er angefangen, abends Partys zu feiern, laut war das, manchmal bis die Sonne aufgegangen ist. Viele jüngere Leute auch, so Schnöselbuben und alte Männer mit Geld. Das hat man den Autos angesehen, mit denen sie gekommen sind. Ich bin von Haus aus vielleicht kein neugieriger Mensch, aber da hätte es mich schon hin und wieder gereizt zu sehen, was hinter der Hecke getrieben wird.«
Seine Frau warf ein: »Man hat geredet, das sei so eine Art Puff nur für Männer, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sie fing an zu stottern, vor Fremden war sie es nicht gewohnt, über solche Themen zu sprechen. »Das hört man öfter, dass so Männer in dem Alter auf einmal ihre andere Neigung entdecken und ihre Familie verlassen.« Sie verstummte und schaute ihren Mann von der Seite an.
Er legte seine Hand zärtlich auf ihren Oberschenkel. »Da musst du bei mir keine Angst haben, Schatz. So etwas merkt man doch früher. Aber gut, wenn man es sein Leben lang unterdrückt, bricht es am Ende heftig heraus. Eigentlich ein armes Schwein.«
»Wo auch noch das Geschäft hin ist. Ohne Geld laufen ihm die Buben bestimmt davon. Es heißt, dass er Privatinsolvenz angemeldet hat, weil er über die Verhältnisse gelebt hat.«
»Man sollte ihn mal besuchen, wir bringen ihm Kirschnudeln, die hat er gemocht, da war er scharf drauf, als ich ihm die mal zum Geburtstag geschenkt habe – am Anfang, als wir noch miteinander geredet haben.«
Ihm fiel ein: »Du weißt nicht, was nachkommt als Nachbar, neulich war so eine ausländische
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