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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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warf Birne ein.
    »Du warst immer die Gurke, die sich hat treiben lassen. Du hast in letzter Zeit Glück gehabt, deswegen hast du jetzt was. Doch es fehlt nicht viel, ein kleiner Donner, und du bist weg und eure kleine Existenz« – Jakob blickte verächtlich im Wohnzimmer umher – »zerfällt zu einem Häufchen Staub.«
    »Woher kommt dieser Hass, Bruder, auf einmal?«
    Jakob antwortete nicht, er stierte vor sich hin.
    »Was hat er?«, fragte Birne.
    »Er ist betrunken«, antwortete Katharina. »Von dem bisschen ist er betrunken.«
    »Willst du dich hinlegen?« Birne rüttelte an Jakobs Schulter.
    »Lass mich in Ruhe. Es geht mir wunderbar. Bekomme ich noch eine Tasse?«
    Katharina schaute fragend Birne an, der zuckte mit den Schultern und Katharina schenkte nach. Jakobs Gier war ungebremst.
    »Willst du ein Stück Brot?«
    »Ein Stück Brot?«
    »Hast du Hunger?«
    »Wie kommst du darauf, dass ich Hunger haben könnte?«
    »Du frisst die Früchte förmlich in dich hinein.«
    »Schmeckt halt geil.«
    »Du stinkst.«
    »Du auch.«
    »Was willst du hier?«
    Nach einer längeren Pause, rang Jakob sich durch: »Kannst du mir Geld leihen?«
    Birne sprang auf, er schrie Katharina an: »Was habe ich dir gesagt? Er kommt und will Geld. Was habe ich dir gesagt?«
    Birne bekam eine Ladung Bowle ins Gesicht: »Ich bin nicht schuld. Die Wichser zahlen nicht. Ich habe mehr Ausstände als du mir leihen könntest. Ich bin der Verarschte. Wenn du ein richtiger Bruder wärst, würdest du mir das Geld leihen, damit ich mir einen Anwalt nehmen kann.«
    Birne lachte seinen Bruder aus. »Genau darum geht es. Du lässt es mit dir geschehen. Immer erst rechte Wange, dann linke, dann Danke. Mit Deppen wie dir treibt man die Welt um. Wir gehen da rein und prügeln dem Arschloch die Kohle aus der Fotze.«
    »Birne.« Katharina war entsetzt. »Gib ihm halt 50 Euro. Er war mir echt eine Stütze, als du nicht da warst.«
    »Ich weiß, Scheiße, ich weiß. Ich bin wieder da, du brauchst keine Stütze mehr, deswegen soll er abhauen. Ich habe schon mal versucht, ihm Geld zu geben, und da war er sich zu fein. Bruder, mein Geld stinkt leider nach Hundescheiße, mein Geld, das willst du gar nicht, auch wenn du was davon bekämst.«
    »Du schmeißt mich raus? Gut.« Jakob holte die Schlüssel aus seiner Hosentasche und warf sie auf den Tisch, dass es sie in die Ecke haute. »Arschloch, Arschloch, Arschloch.«
    Birne schmiss den Stuhl um, Jakob landete auf dem Boden, langsam zog er sich am Tisch wieder hoch, er blutete aus dem Mund.
    »Er blutet«, quiekte Katharina.
    »Er hat sich auf die Zunge gebissen«, murmelte Birne ganz ruhig. Jakob spuckte ihm einen Tropfen Blut ins Gesicht. »Ja, wehr dich endlich. Komm, gleich noch mal.« Birne verpasste ihm eine leichte Ohrfeige. Jakob warf sich mit dem Kopf gegen Birnes Brust. Beide Brüder fielen auf den Boden, Katharina kreischte »Hört auf, ihr Deppen!«
    Birne war schnell wieder den Beinen, er trank einen Schluck aus seiner Tasse und sprotzte sie auf Jakob. Der zeigte ihm den Mittelfinger und schritt zur Tür. Birne lachte und gab ihm einen Tritt in den Hintern.
    »Birne, hör auf«, ermahnte ihn Katharina.
    »Ist ja gut, er soll abhauen.«
    Jakob schlug die Tür hinter sich zu.
    »Muss das sein? Birne, was soll er denn machen? Er hat doch niemanden mehr.«
     

Nebenbahnhof
    Warum halten wir uns für einen besseren Menschen als andere? Warum meinen wir, wir seien schlauer als der Rest der Menschheit? Warum sind wir so voller Verachtung und Hass? Jeden Moment werde ich weniger und weniger. Heute morgen bin ich aufgewacht – und es war nichts mehr da von mir.
     
    Die Türen des ICE schlossen sich am ersten Gleis des Hauptbahnhofs. Eine Mutter hatte ihr Kind auf dem Arm und lief dem anfahrenden Zug winkend nebenher, bis es keinen Sinn mehr hatte. Das Kind winkte auf dem Arm der stehenden Mutter, der Zug nahm seine Fahrt auf und würde nicht mehr zum Stehen kommen bis zum Nürnberger Hauptbahnhof.
     
    Wir werden zum Menschen durch unsere Fähigkeit zur Empathie. Wir fühlen, was ein anderer fühlt, wenn wir ihn sehen. Wenn wir bestehen wollen in dem System, das wir uns eingerichtet haben, können wir das nur, indem wir unsere Fähigkeit zur Empathie unterdrücken, ansonsten frisst uns der Wolf, der unser Nachbar ist. Nichts fühlen, nichts denken, nichts wahrnehmen, was unseren Nächsten betrifft. Durch dieses kleine Loch in unserem Ego dringen die Parasiten ein, die uns in Sekundenschnelle von innen

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