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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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Hubschrauber, um sie aufzuspüren.
    Sie erreichten sicher den Wald.
    Noch 200 Meter und sie standen unter einem dichten Fichtendach. Der Weg war für Autos unpassierbar. Ben hieß sie aussteigen und weitergehen.
    Es war der letzte Tag im August und der letzte heiße Tag in diesem Jahr. Ben trieb sie gnadenlos an, eine neue Hoffnung hatte ihn ergriffen. Nina hatte die falschen Schuhe an, sie kam trotzdem besser voran als Birne. Dem war schwindlig, ihm dröhnte der Kopf, irgendwas stimmte nicht mit ihm, vielleicht bremste ihn die fehlende Hoffnung. Er heftete seine Augen an Ninas Hintern, was ihm ein wenig Motor war.
    »Wohin gehen wir denn?«, fragte er.
    »Wie ein kleines Kind«, murmelte verärgert Ben. »Ist es noch weit, Papa Schlumpf?«
    »Das hat keinen Sinn.«
    »Was hat Sinn?«
    Birne dreht sich um, Ben zielte auf ihn. »Mach das nicht.«
    » Wenn’s keinen Sinn hat, dann ist es doch egal. Dich leg ich um, das Mädchen flach, dann warte ich, bis sie mich holen kommen. Bumm.«
    Birne rannte, Ben schoss nicht. Sie kamen auf eine große Straße.
    »Was jetzt?«, wurde Birne nicht müde zu fragen.
    »Rechts.«
    Wieder 300 Meter später erreichten sie eine einsame Bushaltestelle im Wald, keine Ortschaft weit und breit sichtbar.
    »Was jetzt?«, fragte Birne
    »Warten.«
    Tatsächlich lasen sie auf einer durch eine Zigarettenkippe leicht demolierten Plastiktafel, dass in 25 Minuten ein stündlich verkehrender Bus sie zurück ins Zentrum der Stadt bringen würde. Sie warteten. Sie saßen auf einer Holzbank, von der grüne Farbe blätterte.
    »Sag mal«, begann Nina nach vier Minuten des Schweigens. »Die können uns nichts vorwerfen. Wir sind doch unschuldig, oder? Es hat ja keiner was gesehen. Wenn es denen einfällt zu behaupten, wir seien dabei gewesen. Was ist dann? Die wollen eine wie mich aus dem Verkehr haben, dann stecken sie mich einfach mit rein.«
    »Moment«, fiel Ben ein. »Ihr seid in meiner Gewalt, noch sind wir nicht fertig. Wenn die mich dazu zwingen, dann schieß ich in euch rein. Ich kenn da nichts. Die sollen mich ruhig ernst nehmen. Dann brauchst du keine Angst haben, dass sie dir noch was anderes antun als beerdigen.«
    »Du könntest uns ja nur ins Bein schießen«, schlug Birne vor. »Da hätten alle was davon: Dich würden sie ernst nehmen und wir würden wahrscheinlich überleben.«
    »Du lebst doch in einem Cowboy-Film«, widersprach Nina. »Die Wunde entzündet sich, wir bekommen hohes Fieber und sterben. Oder was ist, wenn wir überleben, dann schleppe ich ein kaputtes Bein hinter mir her. Das will ich nicht sehen, das will ich nicht haben, dann schon lieber schnell und schmerzlos tot. Hat eh keinen Sinn, das Ganze hier. Was soll das?«
    »Der Meinung bin ich nicht. Ich würde schon gern ein bisschen leben, wenn es sich einrichten ließe. Ich glaube, mir macht der Schmerz nicht so viel aus. Die leisten heute Wunder in der Medizin, die kriegen das wieder hin mit dem Bein. Lahm muss keiner bleiben, denke ich.«
    Den Vorschlag zur Güte brachte Ben ein. » Wenn’s drauf ankommt, dann schieße ich dir, Birne, ins Bein, zuerst und dann, wenn sie’s immer noch nicht glauben, dir, Nina, in den Kopf, recht schmerzlos. Wenn das nicht reichen sollte, dann muss ich leider dich, Birne, ein zweites Mal treffen, vielleicht sogar tödlich. Das will ich nicht, ehrlich, aber ich führ nur aus, die anderen entscheiden, was passieren muss. Das müsst ihr einsehen.«
    »Ich finde, wir waren sehr gute Geiseln«, sagte Birne. »Wir steigen in einen Bus, da sind genug neue Opfer: Lass uns laufen, nimm die dafür.«
    »Nein«, widersprach Nina. »Wir ziehen das bis zum Ende zusammen durch. Irgendwie ist es unsere Geschichte.«
    »Todesangst kennst du gar nicht, oder?«, fragte Birne verärgert. »Was ist denn das Ende? Soll uns alle drei dieselbe Scharfschützenkugel plattmachen? Sollen wir uns dazu in einer Reihe aufstellen? Was machen wir, wenn wir in der Stadt sind? Hast du da noch ein schönes Versteck?« Birne redete unter aufsteigenden Tränen, die alle, selbst ihn, überraschten. Anscheinend ging ihm die Angelegenheit näher, als er bisher bereit gewesen war zuzugeben. Ben reichte ihm ein Papiertaschentuch, in das Birne dankbar schnäuzte.
    »Ich brauche dich wirklich«, sagte Ben. »Du bringst mich zu Trimalchio . Wenn das gut geht, seid ihr raus, dann könnt ihr mich an meinem Geburtstag in der Haft besuchen, wenn ihr wollt. Ansonsten ist alles eine Episode im Leben, die man gern am Lagerfeuer

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