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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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loszuwerden. Aber natürlich war es zu mindestens 50 Prozent ehrlich aus ihm herausgebrochen. Das war empfunden. Das Ende.
    Er riss sich zusammen, indem er sagte: »Ich hol uns was zu fressen.« Er verschwand. Weil seine Haut generell stark rot war, konnte man das Verweinte um die Augen für Normalität halten. Er war da draußen der Unauffälligste von ihnen. Er musste gehen. Er ließ ihnen die Zeit zum Nachdenken, obwohl er kaum Hoffnung hatte, dass sich an der Gesamtlage was änderte.
    »Ich schau nach unserem Mädchen«, sagte Ben und ließ Birne allein.
    Er schaltete den Fernseher ein und sah sich als Bild. Man habe keine Ahnung, wie es um die Entführten stehe, dafür eine heiße Spur, die nicht in die Ferne führe . Birne betrachtete sein Bild, seinen Namen darunter. Im Fernsehen. Dann kam Nina, neben seinem Bild wurde Ninas gezeigt. Und dann bekam Ben einen eigenen Bildschirm. Die Bevölkerung solle die Augen offen halten und vorsichtig sein. Waffen. Es gebe schon einen Toten. Der bekam kein eigenes Bild. Dem konnte man nirgends mehr begegnen, so weit man die Augen auch aufhielt. Der war vorerst egal. Birne hatte ihn weggeschossen. Ohne Grund. Ohne dabei was zu fühlen. Immer noch überraschend wenig Reue. Die einen kommen so, die anderen so damit zurecht, hatten Ben und Trimalchio gesagt. Birne mochte den Rentner nicht, der störte, der hätte sowieso weggehört. So durfte man nicht denken, das wusste Birne, er konnte nichts dagegen machen in seinem Inneren. Es gibt Menschen, die sind wertvoll, das spürt man, wenn man in ihrer Nähe ist; andere, die sind es nicht, die waren es vielleicht mal. Die waren vielleicht überflüssig. Er durfte das nicht entscheiden. Keinem Menschen steht es zu, einen anderen in den Krieg zu schicken, auch nur zu riskieren, dass ihm etwas passiert. Es gibt in diesem Land sogar Politiker, die versucht haben, mit dem Versprechen auf eine Kriegsbeteiligung eine Wahl zu gewinnen. Die haben sie verloren. Sie verachteten die Menschen in ihrer Politik. Sie waren schlechter als Birne, der einen Mann getötet hatte. Einfach so. Ohne Grund. Ohne dabei was zu fühlen. Birne hatte jetzt zu entscheiden, ob das in Ordnung war, ob er sich irgendwann wieder im Spiegel gegenübertreten konnte. Er war jetzt allein. Eben war sein Bild im Fernsehen für Millionen sichtbar gewesen.
    Gerade kam Werbung. Eine schöne Frau im weißen Bikini wollte ihn dazu bringen, eine bestimmte Schokoladenkreation zu kaufen. Birne wäre gern sofort los zum nächsten Schokoladenhändler und hätte dem gern Geld gegeben, wäre dadurch seine Seele rein geworden.

     
    »Birne!«
    Er erschrak derart angesprochen und drehte sich um. »Ben? Alles okay?«
    Bei Ben schien alles okay zu sein, er hatte ein leichtes Grinsen aufgesetzt, die Anspannung war aus ihm gewichen. Er stand in der Tür, die Klinke in der Hand. Er lud Birne ein, mit ihm zu kommen. Er führte ihn in den Keller, an dem Raum vorbei, in dem sie gefangen gehalten wurden. Betonwände. Eine Feuerschutztür, ein Schild: ›Vorsicht bissiger Hund‹, sah nach einem Scherz aus.
    »Birne«, sagte Ben. »Das ist das Herz der Bewegung. Hier kommt keiner rein außer Heinz und ich. Bist du dir der Ehre bewusst?«
    Birne nickte, sie traten ein. Es stank nach altem Teppichboden. Ein kleiner Raum mit einem Tisch, vollgestopft mit Kabeln, zwei überpolsterte Bürostühle. Sechs Schwarz-Weiß-Bildschirme mit unterschiedlichen Kameraperspektiven. Aus dem Haus raus, vor das Haus, der Garten mit Hecke, das Wohnzimmer, wo Birne gerade sich im Fernsehen gesehen hatte, irgendein Schlafzimmer und der Raum, in dem Nina lag. Birne tat beeindruckt.
    »Gerade war’s geiler, da hat sie anders dagelegen, da konntest du ihr unten reinschauen.« Nina lag auf dem Bett und schlief erschöpft.
    »Komm mal mit«, forderte Ben. Der nächste Raum, der Birne gezeigt wurde, sah aus wie ein gewöhnlicher Vorratsraum. Regale an den Wänden. Und es gab einen Kellerschacht. Natürliches Licht. Keine künstliche Geheimniskrämerei. Auf den Regalen Flaschen mit mysteriösem Inhalt. Sie waren beschriftet. Birne kannte LSD und Amphetamine, mit dem Rest wusste er nichts anzufangen, der war chemisches Fachchinesisch.
    »Das da links steht bis hierhin, macht dich platt, dann haben wir hier Halluzinogenes und dort Wachmacher, die brauchst du manchmal, und das da ist alles Mögliche, darunter Hochgefährliches.« Auf dem Fläschchen, auf das er deutete, stand ›Arsen‹. Ben lachte dreckig. »Ich hab mir mal

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