Alphabet der feinen Kueche
»pêches de vigne«. Aber schon immer steckte ab und zu ein Winzer einen Pfirsichkern in die Erde und behielt die Bäume, die etwas größere Früchte trugen, so dass manche Winzer mit der Zeit eigene Hofsorten entwickelten. Ulrich Stein ( www.stein-weine.de ) gehört zu diesen Winzern. Schon sein Vater begann mit der Pfirsichauslese; heute stehen viele Bäume in seinen Weinbergen. Stein versucht, kleine Nebenerwerbswinzer, die ihn mit Trauben beliefern, durch hohe Abnahmepreise für Weinbergpfirsiche zum Erhalt der Bäume und damit der charakteristischen Kulturlandschaft an der Mosel zu bewegen.
Einen anderen Weg mit dem gleichen Ziel geht Reinhard Löwenstein ( www.heymann-loewenstein.com ), ebenfalls Winzer an der Mosel. Löwenstein hat 1997 ein großes Projekt angeregt, bei dem die Pflanzung von Pfirsichbäumen auf brachliegenden Weinbergen staatlich gefördert wurde. Der Anbau der robusten Pfirsichbäume macht viel weniger Arbeit als die Pflege der Weinreben und soll so verhindern, dass die Winzer ihre steilen Weinterrassen ganz aufgeben. Das ist nicht nur gut fürs Landschaftsbild - im Mikroklima der Weinberge leben viele Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensraum durch extensiven, biologischen Pfirsichanbau geschützt wird. Übrigens: Beide Winzer machen auch erfolgreich erstklassige Rieslingweine.
Die Arbeit in den Steillagen hält jung. Frau Stein bäckt mit ihren 83 Jahren immer noch den besten Pfirsichkuchen weit und breit, die Früchte dafür pflückt sie selbst. Zuerst macht sie die Pfirsiche ein:
Eingelegte Pfirsiche
• Edelkompott
2 kg Weinbergpfirsiche,
500 g Zucker, 2 Zitronen,
100 ml Rum (54 %),
außerdem: Einweckgläser
oder Schraubdeckelgläser
Weinbergpfirsiche abwaschen, mit einem Messer schälen, halbieren, entkernen und in Einmachgläser schichten. Die Schalen in 1 l Wasser 5 Minuten kochen, Zucker und den Saft der beiden Zitronen hinzufügen. Sobald sich der Zucker gelöst hat, den Sirup durch ein Sieb gießen und etwas abkühlen lassen.
100 ml Rum (54 %) dazugeben, den Sirup in die Gläser gießen, verschließen. Ein Geschirrtuch in einen Topf legen, die Gläser hineinstellen, mit warmem Wasser bedecken, aufkochen. Die Hitze reduzieren, 20 Minuten (bei ca. 80 Grad) einwecken.
Für ihren Kuchen belegt Frau Stein einen Mürbeteigboden mit den Früchten, für den Tortenguss verwendet sie den Pfirsichsaft - noch besser gelingt der Kuchen mit einer Schicht Vanillecreme unter den Pfirsichen.
Erleichterung
Weinbergpfirsiche sind klein, das Fruchtfleisch ist tiefrot, der Sirup auch - die Haut ist pelzig und löst sich kaum durch kochendes Wasser. Statt die Früchte selber einzukochen, können Sie sie auch über www.vallendar.de bestellen.
W eißwurst
Das dümmste Rezept, das ich als Koch je zubereiten sollte, war eines für eine Weißwurst-Senf-Sahne-Crêpe-Torte. Nicht nur, weil die Wurst weder mit süßer Sahne noch mit Pfannkuchen harmoniert. Nein, auch weil ein Koch die Wurst nur zweckentfremden sollte, um ihre symbolische Funktion als Teil eines neuen künstlerischen Konzepts zu nutzen. Otto Kochs Klassiker »Weißwurst von Meeresfrüchten« dagegen war ein Beispiel wohldurchdachter und -schmeckender Provokation im München der Siebzigerjahre.
Untersuchen wir die Gesetze der Weißwurst genauer: Sie dürfe das Zwölf-Uhr-Läuten nicht erleben, heißt es. Diese Regel stammt aus der Zeit, als Weißwürste roh verkauft und erst zum Verzehr gebrüht wurden. Denn Wurstbrät verdirbt schnell. Es muss auf jeden Fall am Tag der Herstellung in den Topf, damit die Würste frisch sind. Je früher, desto besser. Heute brüht schon der Metzger seine Weißwürste, damit sie länger halten. Die alte Regel verliert so ihre Grundlage. Aber was spricht eigentlich dafür, eine aufgewärmte Wurst zu essen, wenn es auch frisch ginge? Ich bat drei Metzger um rohe Weißwürste, alle waren bereit, sie auf Vorbestellung ungebrüht zu verkaufen (die Adressen finden Sie auf S. 343-344) - für den Frühschoppen vor zwölf Uhr.
Zweite Weisheit: Es darf kein Deckel auf den Topf, sonst platzen die Würste. Um diese Regel zu verstehen, müssen wir das Rezept betrachten. Beim Erhitzen bildet sich ein quellendes Protein-Gel in der Wurst, während sich die Wursthaut zusammenzieht. Dadurch entsteht ein Überdruck, der beim Biss in die Wurst Wasser, Fetttröpfchen und Aromastoffe fein im Mund verteilt - die Wurst schmeckt am saftigsten, wenn Sie sie so heiß brühen, dass sie gerade eben nicht platzt. Dabei stört
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