Alphacode Höhenflug
der mittleren Nische hieß Gorong Barkhon-Lama.
Er war der kleinste der angehenden Mutanten, aber er hatte schon immer die größte Wirkung auf Orgon Yuuhl ausgeübt.
Gorong war schmal und 1,69 Meter groß. Sein hageres Gesicht mit den stark hervortretenden Wangenknochen und den kräftigen Mongolenfalten über den schwarzen Augen wirkte anziehend und abstoßend zugleich.
Yuuhl war dem Blick dieser Augen stets ausgewichen, denn wenn man ihm begegnete, hatte man das Gefühl, von innen nach außen gekehrt zu werden. Diesem Blick blieb anscheinend nichts verborgen.
Ungefähr vor sechs Wochen, als Orgon Yuuhl ebenfalls als Wachhabender Offizier im Bunkerraum geschlafen hatte, war Gorong vor ihn getreten und hatte mit ruhiger Stimme gesagt: »Wenn Taglida Sie so stark fasziniert, müssen Sie ihr das mit Worten zu verstehen geben. Es genügt nicht, wenn Sie ihr nachstarren.«
Taglida Maranjew gehörte zum Wissenschaftlerteam. Yuuhl hatte mit niemand darüber gesprochen, daß er die junge Frau ungewöhnlich anziehend fand.
Seit diesem Vorfall war Gorong ihm unheimlich.
Er beobachtete, wie zwei Ärzte, Dr. Katnang und Dr. Keon Pengh, Gorong aus dem Köcher zogen und auf eine bereitstehende Liege drückten. Niemand schien den Versuch zu wagen, ein zweites Mal eine Injektionspistole einzusetzen.
Gorong schrie nach wie vor, aber seine Stimme war leiser geworden. Er schien unvorstellbare Qualen zu erleiden, denn er bäumte sich immer wieder auf und mußte festgehalten werden.
»Ein Anfall«, meinte einer der Ärzte. »Er wird vorübergehen.«
In diesem Augenblick erfolgte die Explosion!
Der Bunkerraum schien sich in einem Lichtblitz aufzublähen und dann in sich zusammenzustürzen. Die Detonation war so nahe und heftig, daß Yuuhl im ersten Moment dachte, er selbst würde zerrissen und auseinandergetrieben werden. Die Druckwelle riß ihn von den Beinen und schleuderte ihn rückwärts gegen einen schweren Sessel. Im Fallen sah er, daß sich in den mächtigen Wänden Risse bildeten wie in einer Schicht zerbrechlichen Eises.
Greyermann taumelte an Yuuhl vorbei. Das linke Bein hing wie leblos an seinem Körper; außerdem hatte ein vom Explosionszentrum wegkatapultiertes Trümmerstück seine linke Gesichtshälfte aufgerissen und verunstaltet.
Die Decke stürzte herab und begrub vergeblich nach Schutzmöglichkeiten suchende Menschen. Es krachte und dröhnte ununterbrochen. Anscheinend sollte erst wieder Ruhe eintreten, wenn dieser Teil des westchinesischen Hochgebirges vollkommen zerstört war.
Alles, was Orgon Yuuhl wahrnahm, geschah in einem einzigen Moment, aber er registrierte es wie einen langsam ablaufenden Film; als hätte er plötzlich die Fähigkeit einer überdeutlichen Wahrnehmung erlangt.
Yuuhl fühlte, daß der Sessel hinter ihm wegkippte. Er drehte sich seitwärts, die Arme in instinktiver Abwehr hochgerissen und den Kopf zwischen die Schultern gezogen.
Menschen schrien um Hilfe. Kurz darauf vernahm er wie aus weiter Ferne das Heulen der Alarmsirenen.
›Zu spät!‹ dachte Orgon Yuuhl unwillkürlich. ›Viel zu spät!‹
Er wurde von einem herabstürzenden Trümmerstück getroffen und ging in die Knie. Etwas Warmes lief über sein Gesicht. Es war sein eigenes Blut.
Plötzlich klang in diesem Chaos eine erstaunlich klare Männerstimme auf.
»Das Aufstockungsgerät ist explodiert!«
Yuuhl erinnerte sich an dieses Gerät, das immer mit besonderer Wachsamkeit und Sorgfalt behandelt worden war. Vor zwei Jahren war es einem chinesischen Kommandotrupp gelungen, es auf dem Mond zu stehlen und nach Taschi Gomba zu
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