Alphacode Höhenflug
Nachdem die geforderte Dunkelheit eingetreten war, verriet uns ein rechteckiger heller Fleck, daß wir einen Film betrachten sollten.
»Ich habe diesen Film mit einer persönlichen Botschaft von Huang Ho-Feng erhalten«, teilte Reling mit. »Es ist sozusagen ein Stück seines Herzens.«
Ich hatte keine bestimmte Vorstellung, wie das Herz des Chinesen aussehen könnte, aber keinesfalls wäre ich auf den Gedanken gekommen, daß es ein rauchender Trümmerhaufen sein könnte – denn um solche Bilder handelte es sich im ersten Teil des Films.
Die Aufnahmen waren schlecht. Vielleicht hatte ein Amateur das Ereignis zufällig festgehalten, oder es war von einer automatischen Kamera aufgenommen worden, die irgendwo im Gelände stand.
»Dies«, erläuterte Reling triumphierend, »ist das Camp des GAS in der Nähe von Taschi Gomba. Die Stadt liegt im westchinesischen Hochgebirge, dicht an der tibetischen Grenze. Südlich davon befindet sich der berühmte Dse-La-Paß, der über die Dsagar-Berge hinweg hinunter in das weite Tal nördlich der großen Kette des Andaghla-Gebirges führt.«
Da seine Worte offensichtlich von heftigen Armbewegungen begleitet wurden, fiel für einen Moment der Schatten seiner Hände auf die Leinwand und nahm uns die Sicht.
Als er es bemerkte, entschuldigte er sich hastig.
Der Trümmerhaufen wurde wieder sichtbar, diesmal zusammen mit einer Gruppe von Männern, die mit Löschgeräten und Schutzanzügen in die hochwirbelnden Rauchschwaden eindrangen.
»Es handelt sich um ein Schulungszentrum des GAS«, fuhr Reling fort. »Dort wurden in aller Heimlichkeit sieben Männer als Mutanten ausgebildet.«
Er sprach in einem tadelnden Tonfall, als wäre etwas ziemlich Anrüchiges geschehen. Es war jedoch kein Geheimnis, daß GAS und GWA zwar in der IAK zusammenarbeiteten, aber trotzdem manchmal eigene egoistische Ziele verfolgten.
Reling schien seine Heiterkeit kaum unterdrücken zu können. Für einen langjährigen Geheimdienstchef mußte es verständlicherweise eine Sensation sein, von einem Staat, der früher sein erbitterter Feind gewesen war, nun freiwillig mit Aufnahmen von einem seiner geheimen Stützpunkte zu erhalten. Zweifellos war er sich im klaren darüber, daß der Streifen mehrmals geschnitten und retuschiert worden war. Selbstverständlich bekamen wir nur das zu sehen, was wir sehen sollten.
»Ho-Feng behauptet, die Entwicklung der sieben Männer hätte sich im Anfangsstadium befunden«, führte er weiter aus. Er war wieder völlig ernst. »Sie waren noch keine Mutanten im eigentlichen Sinne des Wortes. Ihre latenten Fähigkeiten wurden soeben erst geweckt.«
»Sie sprechen ständig in der Vergangenheitsform«, stellte Hannibal fest.
»Ja«, bestätigte Reling sinnend. »Man hat in den Trümmern dieser Station keine Überlebenden gefunden.«
»Wie ist es zu der Katastrophe gekommen?« erkundigte ich mich.
»In dieser Beziehung ist der GAS äußerst schweigsam«, entgegnete Reling. »Die GWA-Stationen haben jedoch Schockwellen angemessen, die recht ungewöhnlich sind.«
»Sie wissen doch etwas!« warf ich ihm vor. »Sie haben bereits Ermittlungen angestellt.«
»Richtig«, bestätigte Reling. Seine Art, Informationen wie ein Menü zu verabreichen, hatte mich oft ärgerlich gestimmt. »Sie erinnern sich, daß Ende des Jahres 2007 ein Aufstockungsgerät vom Mond verschwunden ist?«
»Na klar«, sagte Hannibal. »Zwei und zwei ist vier! Und vier ist in diesem Fall das Schulungszentrum für Mutanten bei Taschi Gomba, wo mit dem Aufstockungsgerät gearbeitet wurde. Wie sonst hätten die GAS-Forscher hoffen können, latente
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