Alphawolf
fürchtete sich vor ihm und dennoch besaß er ein solch einnehmendes Wesen, dass auch sie sich seinem Einfluss nicht entziehen konnte. In diesem Augenblick strahlte er eine Gier aus, die nichts mit einem tödlichen Biss zu tun hatte. Er war auf der Jagd, aber diese war von Wollust motiviert, nicht Blutgier, und sie drückte Tala auf magische Weise in die Sofakissen, sodass sie sich nicht bewegen konnte.
Tala sah ihn wie in Zeitlupe auf sich zukommen. Claw pirschte sich an und wirkte dabei siegessicher und überlegen. Würde er über sie herfallen, sobald er die Couch erreicht hatte?
Zweifel blieben, trotz des Verlangens, das in seinen Augen funkelte. Grauenvolle Bilder tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Sie lag blutüberströmt mit einer klaffenden Wunde am Hals, dort, wo einmal ihre Kehle gewesen war, auf dem Sofa. In einer anderen Vision hockte er über ihr, während seine animalischen Instinkte seine Sinne vernebelten und er sich nahm, was seiner Meinung nach das Recht des Alphawolfs war.
Doch es kam ganz anders. Claw wollte gar nichts von ihr, sondern ging zu seinem Crown Coat. Als er ihn von der Rückenlehne der Couch nahm, fiel ein Buch heraus. Er legte seinen Kurzmantel auf den Sitz und hielt den Roman hoch, den er letzte Nacht aus Talas Bücherregal genommen hatte.
«Die Autorin hat nicht den blassesten Schimmer, wie es Werwölfe treiben», sprach er mit dunkler Stimme, die rau vor Verlangen klang.
Claw ging nicht näher darauf ein, aber so, wie er das sagte, hörte es sich schmutzig und animalisch an, nicht so zivilisiert wie bei reinen Menschen. Talas Fantasie schlug Purzelbäume. Hatte sie sich eben noch Horrorszenarien vorgestellt, so träumte sie nun von wölfischer Paarung, hemmungslosem Sex, in dem gevögelt wurde, bis einem Hören und Sehen verging.
Ihr wurde heiß. Sie lockerte den Gürtel ihres Bademantels unauffällig, und da sie sich endlich wieder bewegen konnte, stand sie langsam auf und machte einen Schritt in Richtung Diele, um Abstand zwischen sich und den Gestaltwandler zu bringen. Sollte sie ins Bad laufen und sich einschließen? War es besser, auf die Straße zu laufen und um Hilfe zu rufen? Nein, er würde sie ganz bestimmt einholen. Sie spähte zum Schrank, der in der Diele stand. Neben Schuhen, Mützen und Handschuhen, lag auch die Schreckschusspistole darin.
Claw, der gerade den Roman ins Bücherregal gestellt hatte, blinzelte sie misstrauisch an. «Wohin des Weges?»
Tala fühlte sich ertappt. «Ein belesener Werwolf?», fragte sie ironisch, um von sich abzulenken.
«Das ist kein Widerspruch.» Seine Augen verengten sich weiter. «Aber ich rate dir, mich nicht in einem falschem Licht zu sehen. Ich bin ein Jäger, Tala, aber keiner, der in einem Hochsitz wartet, bis ihm ein beliebiges Ziel vor die Flinte läuft, und dann aus sicherem Abstand schießt. Nein! Wie die Indianer suche ich meine Beute gut aus und verfolge sie tagelang durch die Wälder. Wenn die Zeit reif ist, stürze ich mich auf mein Opfer und reiße ihm erbarmungslos die Kehle heraus.»
Er war nicht harmlos. Beruhigende Neuigkeiten, spöttelte sie, und griff sich an den Hals. «Bin ich dein nächstes Opfer?»
Claw lächelte. «Wölfe jagen immer im Rudel. Ich bin alleine.»
«Was hast du dann vor?» Hätte er nicht noch etwas in ihrem Haus zu erledigen gehabt, wäre er mit Rufus gegangen.
«Der einzige Weg, sich einer Versuchung zu entledigen, ist ihr nachzugeben», trug er vor und betonte jedes einzelne Wort mit Bedacht. Seine Stimme vibrierte lasziv.
Tala wich seinem Blick aus und ignorierte die Hitze, die in ihre Wangen stieg. «Das Zitat stammt aus Dorian Gray.» Sie fuhr mit dem Zeigefinger die Buchrücken entlang, bis sie fand, was sie suchte. Triumphierend zog sie den Roman von Oscar Wilde heraus. Auch sie war belesen. Wieso nur hatte sie das Gefühl, mit dem Alpha in Konkurrenz zu stehen? Ein verbales Kräftemessen von Jäger und Beute?
Claw nickte anerkennend und nahm ihr das Buch aus der Hand, wobei seine Fingerspitzen ihren Handrücken streiften.
Rasch zog Tala ihre Hand weg und wurde sich einer Gänsehaut bewusst, doch es war eine der wohligen Sorte, die dazu führte, dass ihre Brustspitzen sich verhärteten. Das ist nur die Kälte im Haus, belog sie sich selbst und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Regal, um nicht mehr so nah bei Claw zu stehen.
Er schlug das Buch auf, blätterte zu einer bestimmten Stelle und las: «Der Körper sündigt gelegentlich, und damit ist die Sünde für ihn
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