Alphawolf
Alkohol wärmte sie von innen und machte sie gelassener. «Wie ist er zu diesem Geschöpf geworden?»
Rufus kam zu ihr und legte den Kopf auf ihren nackten Füßen ab, die eiskalt waren. Doch Claw zog Tala auf die Couch, auf den Platz neben seinem. Traurige Wolfsaugen blickten zu ihr auf, aber Rufus wagte nicht, zu ihnen zu kommen.
«Dante hatte einen Schamanen gezwungen, einen indianischen Ritus an ihm zu vollziehen, weil er es nicht mehr ertrug, sich regelmäßig in einen Wolf verwandeln zu müssen. Er meinte einmal zu mir, er wäre seiner Identität beraubt worden, dabei hat er eine dazugewonnen.» Claw musterte Tala von oben bis unten. Sie meinte sogar, ihn dezent schnüffeln zu hören, obwohl seine Nasenflügel sich nicht bewegten.
Ein Prickeln floss durch sie hindurch. Sie belog sich selbst, indem sie es auf den Alkohol zurückführte, und stellte das Weinglas ab. «Nicht jeder ist in der Lage, die Vorzüge zu erkennen, ein Tier zu sein.»
Claw schnaubte. «Lupus behauptet, das Tier in Dante hätte die Oberhand gewonnen und würde seine menschliche Natur mehr und mehr unterdrücken. Aus diesem Grund wäre er so aggressiv und seine Wolfsgestalt hatte an die Oberfläche kommen können.»
«Aber er konnte sich nicht vollkommen verwandeln und ist auch nicht für immer ein Wolf geblieben», bemerkte sie, zog ihre Knie an und legte ihre Beine auf das Sofa. Ihre Füße bedeckte sie mit dem Saum ihres Bademantels.
«Die Ursprungsgestalt wiegt schwerer. Sie ist ähnlich wie der Wirt für den Parasiten», erklärte er und legte beide Arme auf die Rückenlehne. Seine Fingerspitzen berührten beinahe Talas Haar. «Dante hatte mit der Zeremonie den Wolf für immer bezwingen wollen, sodass er wieder ein reiner Mensch gewesen wäre, aber das ist unmöglich. Es gibt keine Heilung. Vom Dasein als Werwolf kann man nur durch den Tod erlöst werden.»
Tala schluckte schwer. «Dann ist der Ritus fehlgeschlagen und hat ein Monster aus ihm gemacht?»
«Er wurde zu einer Bestie, die Menschenleben auslöscht, wie unsereins Fliegen totschlägt. Nun steckt er in diesem grauenhaften Körper fest und ist weder Mensch noch Tier, ohne Moral, Respekt und Glauben.»
«Was hat er vor?»
Claw zuckte mit den Schultern, die Muskeln in seinem Nacken erbebten. Er wickelte eine ihrer hellbraunen Haarsträhnen um seinen Zeigefinger. «Noch besitzt er ein Quäntchen Verstand, aber sein Instinkt wird immer stärker werden, und dieser sagt ihm, zu überleben, koste es, was es wolle. Es wird Blut fließen, viel Blut. Was aber mindestens genauso schlimm ist, ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er von der Bevölkerung über kurz oder lang entdeckt werden wird. Sie würden ihn erforschen und den Werwölfen auf die Spur kommen. Das Risiko ist zu groß. Deshalb müssen wir ihn zuerst erledigen.» Plötzlich sah er sie mit zusammengekniffenen Augen an. «Die letzte Chance hast du uns vermasselt.»
«Nicht absichtlich.»
Es lag Spannung in der Luft. Es war Tala, als wäre die Temperatur im Raum um einige Grad angestiegen. Sein Blick brannte auf ihrer Haut. Das Licht flackerte, die Birne würde bald ihren Geist aufgeben. Draußen heulte der Wind gespenstisch ums Haus. Talas Sinne waren alarmiert. Sie meinte sogar die Zitrone, die sie beim Abendessen für ihren Schwarztee aufgeschnitten hatte und die seitdem offen in der Küche lag, riechen zu können.
Doch Claw stürzte sich nicht auf sie, sondern erhob sich. Er schlenderte mit einer Ruhe, die Tala unheimlich war, zur Terrassentür und öffnete sie. «Lauf nach Hause, Rufus.»
Der Rotwolf zögerte und schaute Tala an.
«Was hast du vor?», wollte sie beunruhigt wissen.
«Sofort!», sagte Claw scharf. Augenblicklich sprintete der Wolf mit eingezogenem Schwanz aus dem Haus.
Claw schloss die Tür und verriegelte sie. Gemächlich zog er die nougatbraunen Vorhänge zu.
Nun war Tala allein mit dem gefährlichsten Mitglied des Rudels und ihr schwante Übles. Er hatte es selbst gesagt: Es durfte unter keinen Umständen Zeugen geben. Und er hatte ihr alles über seine Rasse gezeigt und erzählt. Wieso hätte er das tun sollen, wenn er vorhatte, sie am Leben zu lassen?
Tala erstarrte zu Eis. Sie wollte aufspringen und Schutz suchen, doch sie war wie gelähmt. Schließlich war Claw nicht einfach nur ein Mann.
Er war der Alphawolf der Werwölfe und hatte sein nächstes Opfer ins Visier genommen: Tala.
Kapitel 7
Claw musterte Tala eingehend. Sein Blick glitt begehrlich über ihren Körper. Sie
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