Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alphawolf

Titel: Alphawolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
Vom Netzwerk:
legte ermutigend seine Hand auf ihren Rücken. Endlich schaffte sie es, sich zu bücken und den Rotwolf zu streicheln. Es war immer noch Rufus, er steckte in diesem Tierkörper.
    Menschliche Intelligenz, tierischer Instinkt und die Kräfte beider hatten sich soeben vor ihren Augen vereint.
    Behutsam kraulte sie ihn hinter seinen Ohren. Es gefiel ihm. Er leckte über ihren Arm, ein Faden ihres Frotteemantels blieb an seiner rauen Zunge kleben und er zog ihn heraus. Sie ahnte, dass das Rudel keinen Dietrich gebraucht hatte, um in der letzten Nacht in ihr Haus zu gelangen. Rufus hatte sich einfach in einen Menschen verwandelt und seinen Gefährten die Tür geöffnet.
    Tala wurde sich bewusst, dass sie nichts mehr unter Kontrolle hatte. Das Erlebnis hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Welche Auswirkungen hatte es? Würde sie so weitermachen können wie bisher?
    Ja, das musste sie wohl. Die Erde drehte sich weiter um ihre Achse. Nicht die Welt hatte sich verändert, sondern nur Talas Horizont und ihre Sicht auf die Dinge.
    Eine seltsame Ruhe ergriff sie, eine emotionale Trägheit, eine Taubheit, die sie davor schützte durchzudrehen. Eventuell hatten die Athabascan doch einen weiseren Blick auf die Dinge und es war falsch gewesen zu zweifeln. Möglicherweise.
    «Wie viele seid ihr?», fragte sie mit brüchiger Stimme.
    «Werwölfe gibt es nicht wie Sand am Meer», erklärte Claw ehrfürchtig. «Sie sind kostbar wie seltene Edelsteine.»
    «Nur gefährlicher.» Vielleicht nicht Rufus, aber ganz bestimmt der Rest des Rudels.
    «Wir wollen nur unsere Rasse schützen und unsere Existenz geheim halten.» Er nahm die Hand von ihrem Rücken, als wollte er aus Enttäuschung das zarte Band, das sie geknüpft hatten, wieder lösen, da ihre abweisende Haltung noch immer nicht dahinschmolz, obwohl er ihr die Geheimnisse der Lykanthropen verriet. «In Alaska sind wir das einzige Rudel, zumindest das einzige, das wir kennen. Vielleicht leben andere Werwölfe genauso im Verborgenen wie wir und wir haben deshalb noch nichts von ihnen gehört.»
    Langsam glitt ihre Hand durch das Fell. Ihre Neugier war geweckt. «Existieren andere Gestaltwandler?»
    Claw murrte, vielleicht weil sie zu viele Fragen stellte, aber er beantwortete sie dennoch. «Ich weiß es nicht. Aber wieso sollten wir die einzigen Menschen sein, die sich in ein Tier verwandeln können?»
    Tala richtete sich auf. Sie ging in die Küche, um Zeit zu gewinnen und nachdenken zu können. Das alles musste erst sacken. Gedankenversunken nahm sie eine Müslischale aus dem Hängeschrank und füllte sie mit lauwarmem Wasser. Als sie zurückkehrte, saß Claw auf der Couch und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sie stellte die Schüssel vor Rufus ab.
    «So eine Gestaltwandlung ist bestimmt anstrengend. Vielleicht bist du durstig.» Zufrieden sah sie, dass Rufus ihr Angebot gerne annahm. Dann drehte sie sich zu Claw um. «Ich hoffe, das war jetzt nicht respektlos.» Sie hatte keine Ahnung, ob sie Rufus wie einen Wolf oder einen Jungen behandeln sollte.
    Claw sah verächtlich auf Rufus herab. «Es wäre nicht nötig gewesen.»
    Tala fragte sich, ob seine Unfreundlichkeit gegenüber dem Jungen Eifersucht war – ein Lächeln huschte über ihr Gesicht – oder das normale Verhalten zweier Rudelmitglieder, deren Stellung innerhalb der Hierarchie unterschiedlicher nicht sein konnte: Der eine stand an der Spitze, der andere war ganz unten in der Rangfolge.
    «Was ist Dante? Ist er einer von euch?» Sie vermied den Begriff Werwolf.
    «War», stellte Claw richtig. «Der Unterschied zwischen uns und ihm ist, dass wir uns zurückverwandeln können. Er jedoch hängt fest, zwischen den Welten und zwischen den Gestalten, genau das treibt ihn in den Wahnsinn. Er ist das, wovor du dich in meine Arme geflüchtet hastᅠ...»
    «Du hast mich umklammert», berichtigte Tala ihn empört, errötete jedoch, weil sie sich sehr wohl in seinen Armen gefühlt hatte. Er hatte sie gehalten, durch seine Kraft gestärkt, und sie hatte sich an ihn geschmiegt, seine Wärme genossen und selbst durch den Rollkragenpullover seine Muskeln gespürt.
    «...ᅠvor dem Monster zwischen den Gestalten», fuhr Claw fort, «der Kreatur, die weder Wolf noch Mensch ist. Ein Ungeheuer, eine Bestie, die jegliche Bodenhaftung verloren hat. Sie ist alleine, sie gehört zu niemandem und fühlt sich deshalb auch nicht verpflichtet, sich an irgendwelche Regeln zu halten.»
    Tala nahm ihr Glas Wein und trank hastig. Der

Weitere Kostenlose Bücher