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Alphawolf

Titel: Alphawolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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selbst», spöttelte er.
    «Ein Bär könnte von den Gerüchen der Essensreste angelockt worden sein und fühlte sich in die Enge gedrängt.» Sie zuckte mit den Achseln. «Der Indianer wollte ihn aus dem Gebäude jagen. Das Tier fühlte sich bedroht und ist auf ihn los.»
    «Und hat dem Indianer einen Besenstil in den Arsch geschob’n?» Jerkins Augen fielen ihm fast aus den Höhlen, weil er so begierig darauf war, die Fassungslosigkeit Talas zu beobachten. Er verfolgte jede Regung auf ihrem Gesicht, als wäre er in einer Peepshow und der Vorhang hätte sich gerade gelüftet.
    Tala war im ersten Moment so bestürzt, dass sie erstarrte und hoffte, Jerkins hätte dies nur gesagt, um sie zu schockieren. Aber er nahm das Gesagte nicht zurück und relativierte es auch nicht. Er hatte keinen Scherz gemacht, sondern die Wahrheit berichtet.
    Doch unter die Bestürzung mischte sich auch so etwas wie Erleichterung. Es war nicht Dante, der in das Alaska Native Heritage Center eingefallen war, denn nach allem, was sie von ihm gehört hatte, hatte er sich schon zu sehr seinen animalischen Instinkten gebeugt, sodass er seine Klauen und Reißzähne eingesetzt hätte, um zu töten.
    Sie sehnte sich nach einem Schluck Wasser, aber die Flasche lag im Wagen und Tala wollte Jerkins noch nicht ziehen lassen. «Hat man Hinweise auf den Täter gefunden?»
    «Als die Polizei kam, schickte man mich weg.» Der Reporter seufzte. Vermutlich hatte er einen Gefühlsausbruch von ihr erwartet, den er bestimmt lieber fotografiert hätte als das Karibu.
    «Haben Sie die Spurensicherung gesehen?» Ein Schuhabdruck wäre ein zusätzlicher Beweis.
    Er kniff seine Augen zusammen. «Wieso interessiert Sie das so sehr?»
    «Sie haben angefangen, von dem Vorfall zu erzählen», sagte sie schnippisch, denn sie fühlte sich ertappt.
    «Sie stell’n viele Fragen.»
    Die Situation kippte. Das gefiel Tala ganz und gar nicht. «Würde das nicht jeder tun?»
    «Aber Sie bohr’n ganz schön.»
    Sie suchte nach einer Ausrede. «Ich bin eine Indianerin, eine Athabascan, um genau zu sein. Das Kulturzentrum liegt mir am Herzen.»
    «Athabascan? So sehen Sie gar nicht aus.» Argwöhnisch blinzelte er sie an. «Der Kerl hat nur im Hauptgebäude gewütet. Das Außengelände mit den Holzhäusern der verschiedenen Stämme hat er nicht beachtet – bis auf das der Athabascan.»
    «Wie bitte?» Tala wurde hellhörig.
    «Er hat es niedergebrannt. Tiere brenn’n keine Häuser nieder, nicht wahr, Miss Cocoon? Es war ein Mensch, sehen Sie es ein.» Er machte eine bedeutungsschwangere Pause und rieb die Handflächen aneinander. «Sie haben nicht zufällig was von Ihrem Stamm gehört?»
    «Natürlich nicht», erwiderte sie empört, doch der Schock saß tiefer. Dante hatte sie von ihrer Liste der möglichen Täter bereits gestrichen gehabt. Aber Dante hatte athabascanische Wurzeln. Er besaß übermenschliche Kräfte, die einen Menschen übel zurichten konnten, und Hände und Verstand, um Feuer zu legen. Hatte er einen Mord begangen? Wieso tauchte er nicht in den Wäldern unter? Stattdessen ging er das Risiko ein, in der Stadt entdeckt und erschossen oder eingefangen zu werden. War er verrückt geworden oder befand er sich auf einem Rachefeldzug?
    «Rufen Sie die Feuerwehr an.» Jerkins holte seine Handschuhe aus der Jackentasche, deutete damit auf das Karibu und zog sie an. «Die wird den Kadaver entsorg’n.»
    Als ob sie das nicht wüsste. Sie nickte.
    Ihr Mobiltelefon klingelte. Jerkins nahm das zum Anlass, um sich zu verabschieden. Als er davonbrauste, wirbelten seine Reifen Schnee und Erdreich auf, sodass Tala zur Seite springen musste, um nicht getroffen zu werden.
    Sie murmelte leise einen Fluch und holte ihr Handy aus der Jackentasche. Die Nummer war nicht eingespeichert, aber sie kam ihr bekannt vor. Tala zückte die Visitenkarte, die Mantotopah ihr gegeben hatte. Es war seine Telefonnummer.
    Sie zögerte. Bestimmt würde er fragen, wie die Demonstration gelaufen war, aber sie hatte keine Lust auf weitere Lügen, daher drückte sie ihn weg. Im nächsten Augenblick schalt sie sich eine Närrin. Vielleicht hatte er nur wissen wollen, wann sie das Karibu zurückbringen würde.
    «Wovor fürchtest du dich eigentlich?»
    Sie steckte das Telefon weg, stieg in ihren Wagen und fuhr ihn so nah wie möglich an den Lattenzaun heran. Rasch stieg sie aus und kletterte auf die Ladefläche, die fast auf der gleichen Höhe war wie die drapierte Tierleiche. Aus Leibeskräften zerrte

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