Alphawolf
des Rudels rechnen. Es war ihre Aufgabe, ihn loszuwerden, schließlich hatte sie ihn gerufen. Außerdem wollte sie sich nicht vorstellen, wie Claw die Sache regelte. Er würde sich des Problems bestimmt wenig feinfühlig entledigen.
«Möchtest du eine Tasse Kräutertee mit Honig?» Sie stieg auf den Fahrersitz, ließ die Wagentür aber offen. Sie musste erst den Einkauf heimbringen und dann in Valdez das Karibu abliefern. «Ein Verfolger reicht mir.»
Er überlegte.
«In deinem Zustand ist es nicht gut, dass du irgendwo vor meinem Haus hockst und in der Kälte darauf wartest, bis ich meinen nächsten Schritt mache. In meiner Wohnung ist es schön warm.»
Lupus lächelte dankbar und stieg ein.
Sie quälten sich durch den Feierabendverkehr zurück in den Randbezirk, in dem Tala wohnte. Die Dämmerung hatte noch nicht eingesetzt, aber die schweren Wolken, die tief über Anchorage hingen, kündigten bereits an, dass es früh dunkel werden würde. Kaum hatten Tala und Lupus vor der Einfahrt geparkt, fielen erste Schneeflocken herab. Durch die fehlende Sonne war es bitterkalt.
Tala schloss ihren Parka bis oben, auch wenn sie mit wenigen Schritten im Haus sein würde, aber auf dem kurzen Weg zum Eingang froren ihr fast die Finger ab, weil sie zu faul gewesen war, ihre Handschuhe anzuziehen.
Sie hatte die Tür gerade erst aufgeschlossen, als Lupus hinter ihr einen unterdrückten Laut von sich gab. Das Knurren ließ sie herumfahren. Er hatte die Einkaufstüten fallen lassen, seine Augen funkelten aggressiv und er wirkte mit einem Mal hoch konzentriert. Tala konnte seine Anspannung förmlich spüren.
Schnüffelnd kam er auf sie zu, doch er guckte nicht sie, sondern den schneebedeckten Boden an, als würde er etwas suchen. Seine Wangen waren rosig, ob nun vor Aufregung, der Kälte oder Fieber, vermochte sie nicht zu sagen.
Tala staunte nicht schlecht, als er plötzlich Anlauf nahm und mit einem Satz über das hölzerne Tor links vom Haus sprang, das in den Garten führte. Wo war seine krankheitsbedingte Schwäche hin? So viel zum Thema unauffällig bleiben! Sein Tier war von einer Sekunde zur anderen durch irgendetwas aufgeschreckt worden und so nah an die Oberfläche gestiegen, dass seine körperlichen Beschwerden in den Hintergrund getreten waren.
Eilig suchte Tala den Schlüssel für das Tor und hätte dabei beinahe das Schlüsselbund fallen lassen. Ihre Hände zitterten, als sie es endlich aufschloss und in den Garten stürmte. Lupus untersuchte aufgebracht jeden Winkel.
«Ich kann nur hoffen, dass Jerkins deinen kleinen unbedeutenden Hechtsprung nicht mitbekommen hat», sagte sie vorwurfsvoll und stemmte die Hände in die Hüften.
Lupus schaute sie an, seine Augen hatten nichts Menschliches mehr. «Dante war hier.»
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen. Die Bestie war zu ihrem Haus gekommen. Wie lange war das her? War Tala zu dem Zeitpunkt noch daheim gewesen? Was hatte die Kreatur bei ihr gewollt? «Aber ich sehe keine Spuren.»
«Lass dich von den Verwüstungen in der Klinik, dem Kulturzentrum und dem Education Center nicht täuschen. Wenn Dante will, kann er zu einem Schatten werden.» Seine Stimme klang tief und rau. «Wölfe beobachten ihre Beute tagelang, bis der geeignete Moment gekommen ist, um zuzuschlagen, und ihre Opfer haben bis dahin nicht die leiseste Ahnung, dass sie verfolgt werden.»
Eben noch hatte sie gefröstelt, jetzt brach ihr der Schweiß aus. Sie öffnete ihren Parka. «Du meinst, er ist hinter mir her?»
Lupus schüttelte seinen Kopf, doch diese Geste sah eher aus, wie ein Wolf, der sein Fell ausschüttelt. «Seine Spur ist nicht frisch. Wahrscheinlich ist er in den frühen Morgenstunden hier herumgeschlichen. Hätte er es auf dich abgesehen gehabt, wärst du jetzt nicht mehr am Leben. Seine Fährte führt in diese Richtung.» Er deutete zum Horizont.
«Dort liegt Valdez.» Sie konnte kaum sprechen, weil ihr Hals wie zugeschnürt war. «Oh, mein Gott, ich habe ihn zu meiner Granny und dem Stamm geführt, den er hasst: den Athabascan. Sie sind in Gefahr. Lupus, bitte, ihr müsst mir helfen.»
Ein Grollen stieg aus seiner Kehle. «Ich alarmiere Claw.»
Ausgerechnet den Alphawolf musste sie um Hilfe bitten. Wenn er von Matt Jerkins erfuhr, würde er sowieso nicht gut auf sie zu sprechen sein. Eventuell würde er sich sogar weigern, ihr beizustehen, denn seiner Meinung nach war sie ihm etwas schuldig, nicht er ihr. Außerdem hatte er Besseres
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