Alphawolf
nur verschleppt haben.»
«Oder weggeworfen, wie ein Stück faules Fleisch», warf Claw ein. «Die Kraft dazu hat er.»
Tala blinzelte ihn wütend an. In ihren Gedanken blitzte ein Bild von Rufus auf, wie er ohnmächtig oder – Gott bewahre – tot auf dem Dach eines Nachbarhauses lag. Aber sie glaubte nicht daran, dass Claw das ernsthaft vermutete, denn sonst wäre er nicht auf dem Weg nach Valdez, sondern würde ihre Nachbarschaft auf den Kopf stellen. Vermutlich wollte er sie nur wieder zur Weißglut bringen. «Heute Nacht werde ich bestimmt etwas Schönes träumen.»
Der Wagen rutschte auf der vereisten Straße weg und Claw hatte Mühe, ihn wieder in die Fahrrinne zu bugsieren. «Es nutzt nichts, alles durch eine rosarote Brille zu sehen. Nur wer realistisch denkt und alle Möglichkeiten abwägt, kann den Kampf aufnehmen und gewinnen.»
«Ich will aber gar nicht kämpfen.» Weder gegen Dante noch das Rudel hatte sie den Hauch einer Chance.
Claw bremste das Auto sanft ab, weil der Verkehr stockte. «Das spielt keine Rolle. Das Schicksal zwingt dich dazu.»
«Wohl eher der Alpha.» In der Ferne waren schon die Lichter von Valdez zu sehen. Tala freute sich, bald anzukommen und aus dieser Sardinenbüchse herauszukommen. Claw war ihr einfach zu nah.
«Viele von uns wollten auch nicht zum Werwolf werden und wurden dazu gezwungen», murrte er.
Tala horchte auf. Sprach er von sich selbst? Das konnte interessant werden.
Sie hatte ihren Mund gerade geöffnet, um nachzuhaken, als er fortfuhr: «Die Welt ist hart, aber noch härter für Gestaltwandler. Unser tägliches Leben ist ein Kampf. Wir müssen unsere wahre Natur verstecken. Wir sind gezwungen, öfters umzuziehen und Dokumente zu fälschen, damit es niemandem auffällt, dass wir älter werden als gewöhnliche Menschen. Intensive Beziehungen können wir nur innerhalb des Rudels pflegen. Wir haben unsere Zeugungsfähigkeit eingebüßt. Es ist eine ständige Gradwanderung. Wir lügen und betrügen, als wären wir Verbrecher.»
«Das muss ich neuerdings auch, dank euch.» Tala dachte an das Karibu und Toto. Sie fühlte sich schlecht, weil sie ihm mehrfach etwas vorgemacht hatte. Und zurückgerufen hatte sie ihn auch nicht.
«Willkommen in der Welt der Werwölfe.»
«Aber ich bin kein Werwolf.»
Claw bedachte sie mit einem Blick, der noch nicht sagte, oder aber sie interpretierte zu viel hinein. Er drehte den Scheibenwischer eine Stufe niedriger, da sie durch ein Waldgebiet fuhren, die Bäume den Wind abhielten und die Schneeflocken nur noch sanft zur Erde schaukelten.
Den Rest des Weges schwiegen sie. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Für Tala tat sich plötzlich ein völlig neuer Gedankengang auf, den sie bisher nicht einmal ansatzweise gehabt hatte. Was war, wenn Claw sie nicht aus dem Weg räumen, sondern sie zu einem Rudelmitglied machen wollte, sobald sie Dante gefasst hatten? Er konnte sie am Leben lassen – aber zu welchem Preis? Beide Möglichkeiten schienen ihr wenig schmackhaft. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, sich in einen Wolf zu verwandeln, und sich Claw, dem Rudelführer, zu unterwerfen.
Sie warf ihm verstohlen einen Blick zu. Gut sah er aus, das musste sie zugeben. Sehr männlich, besonders wenn er so düster schaute, wie er es in diesem Moment tat. Ein Bartschatten ließ ihn noch finsterer erscheinen. Er war ganz in schwarz gekleidet, wie ein Schatten, ein dunkler Krieger, ein attraktiver Gevatter Tod, der auf dem Weg zu seinem nächsten Opfer war.
Unbewusst presste er seine Lippen aufeinander.
Er besaß dünne Lippen, die jedoch sehr leidenschaftlich küssen konnten. Gut schmeckte er, gestand Tala sich ein, er schmeckte nach mehr. Aber er hatte sich die Küsse bisher jedes Mal gestohlen, hatte Tala überrumpelt. Wahrscheinlich fragte das Alphatier niemals und erst recht bat er um nichts, sondern war es gewohnt, dass die Weibchen ihm, dem Leitwolf, zu Füßen lagen.
Eifersucht erwachte in ihr, aber sie rang sie nieder. So anziehend sie ihn auch fand, sie wollte keins seiner Liebchen sein.
«Hör auf damit.»
«Womit?» Irritiert hob sie ihre Augenbrauen.
«Mich auf subtile Weise zu verführen.»
«Ich?» Was bildete sich dieser Kerl ein? Sie verschränkte die Arme vor dem Körper, als müsste sie sich vor ihm schützen. «Bist du verrückt geworden?»
«Du lockst und infizierst mich mit deiner Erregung, aber das kann ich im Moment nicht gebrauchen. Ich muss mich auf die Jagd konzentrieren.» Er fasste das Lenkrad so
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