Alphawolf
Gebäude dunkel. Gemeinsam mit Lupus ging sie zur Eingangstür. Sie klopften, liefen um das Haus herum, um zu sehen, ob hinten noch Licht brannte, aber die Werkstatt war leer.
Talas Nervosität stieg. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. «Normalerweise ist Onawa bis spät abends hier. Die Werkstatt ist ihr Lebensmittelpunkt.»
«Kein Grund zur Sorge.» Väterlich legte er ihr seine Hand auf die Schulter. «Sie ist wahrscheinlich zu Hause.»
Doch auch dort war Onawa nicht. Unruhig verlagerte Tala ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sie klingelte noch einmal und klopfte dann auf die Rollläden.
Claw hinderte sie daran, noch fester zu hämmern, bevor sie die Jalousien beschädigte. Sanft packte er ihr Handgelenk. «Genug, bevor die Nachbarn auf uns aufmerksam werden.»
«Sie hört immer schlechter.» Panik schwang in ihrer Stimme mit.
Er schüttelte den Kopf und ließ ihre Hand los. «Sie ist nicht im Haus, sonst würden wir sie hören oder riechen.»
Mit wir meinte er Lupus und sich selbst – Werwölfe. «Könnt ihr Dante wahrnehmen? War er hier?»
Kurz schaute Claw zu seinem Gefährten rüber.
«Lüg mich nicht an», zischte Tala. «Das überlegst du doch gerade, oder? Ob du behaupten sollst, Dantes Fährte nicht zu riechen, aber du hast seine Spur gewittert, habe ich Recht? Sag die Wahrheit!» Sie schlug mit den Fäusten gegen seinen Oberkörper.
Blitzschnell fasste er ihre Arme, führte sie hinter ihren Rücken und zog Tala zu sich heran. «Er hat die Indianerwerkstatt aufgesucht.»
«Aber er hat sie nicht zerstört, wie das Labor, die Klinik und das Schulungszentrum.» Ihre Körper berührten sich. Diesmal war es Tala keineswegs unangenehm, sondern sie wollte, dass Claw sie festhielt, weil ihre Beine wie Pudding waren. Sie spürte seine Stärke, sie brauchte ihn in diesem Augenblick. Impulsiv lehnte sie sich gegen seine Schulter.
Als ihr bewusst wurde, was sie tat, richtete sie ihren Oberkörper auf, doch Claw drückte sie wieder an sich.
Tala hatte fest mit einem dummen Spruch von ihm gerechnet, einem Frotzeln, irgendetwas, das seinem Macho-Image entsprach, stattdessen strich er über ihre Haare und sagte: «Dantes Fährte ist überall. Sie zieht sich durch ganz Valdez, als hätte er die Kleinstadt unter die Lupe genommen. Aber er ist nicht mehr hier.»
«Hat er Onawa entführt, wie Rufus?» Sie schluchzte.
Als er einen Kuss auf ihre Haare hauchte, vergaß sie vor Überraschung einige Sekunden lang zu atmen. «Beides wissen wir nicht.»
Tala war verzweifelt.
Kapitel 13
Plötzlich räusperte sich Lupus, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. «Ist die Lady, die so verdutzt schaut, vielleicht deine Granny?»
Claw ließ Tala los. Sie schluckte ihre Tränen herunter und folgte Lupus’ Blick. Keine fünf Meter entfernt stand Onawa, eingehüllt in ihren traditionellen Parka, mit weit aufgerissenen Augen.
«Was ist denn hier los?», fragte die alte Frau und ging für ihr Alter erstaunlich schnell auf das Trio zu.
Tala lief ihr entgegen und warf sich in ihre Arme.
«Ist etwas passiert?», fragte Onawa in Höhe von Talas Busen, denn sie war einen Kopf kleiner. «Du bist ja ganz aufgelöst?»
Jetzt erkannte Tala, dass sie ein Problem hatte. Was sollte sie ihrer Großmutter sagen? Welcher Grund mochte sie nach Valdez zurückgeführt haben? Ihr die Wahrheit zu erzählen war unmöglich, nicht nur weil sie sich lächerlich gemacht hätte, sondern auch weil Claw sie mit einem Wehe-du-sagst-ein-Sterbenswort-Blick bedachte.
Sie konnte ihn und Lupus nicht einmal ihrer Granny vorstellen, weil sie nur ihre Spitznamen kannte. Bis auf Ash, aber Tala ahnte, es wäre nicht gut für alle Anwesenden, diesen Namen zu erwähnen. Eigentlich fand sie es lächerlich, dass sich die Männer hinter Wolfsnamen versteckten, sah aber ein, dass die Gestaltwandler ihre menschliche Identität schützen mussten.
«Du zitterst ja.» Besorgt schob Onawa sie von sich weg und betrachtete ihre Enkelin von oben bis unten.
Tala lächelte. «Mir ist kalt, das ist alles.»
«Dann kommt doch rein», schlug ihre Granny vor und zog sie mit sich. «Ich lade dich und deine Freunde auf ein Glas Tee ein. Und dann berichtest du mir alles in Ruhe.»
Freunde? Tala sah zuerst Claw und dann Lupus an.
Während es dem Alphawolf deutlich ins Gesicht geschrieben stand, dass er wenig von der Idee hielt, rieb der alte Mann freudig die Handflächen aneinander. «Einen Grog würde ich auch nicht ablehnen. Der wärmt die Glieder bis ins
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