Alphawolf
sie, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Sie musste Rufus retten!
Das Crow Animal Shelter war kein normales Tierheim. Genau genommen war es nicht einmal ein Asyl. Es bot den Tieren weder Schutz noch eine dauerhafte Unterkunft. Denn falls sie nach einer Woche nicht von ihren Besitzern abgeholt wurden, tötete man die Fundtiere.
Und Rufus hatte keinen Besitzer.
Wie lange mochte er in seiner Wolfsgestalt bleiben können? Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die Mitarbeiter des Tierheims eines Tages einen Jungen in der Box fanden, in die sie den Rotwolf eingesperrt hatten.
Sie drängelte sich durch den Feierabendverkehr und schreckte auch nicht davor zurück, den einen oder anderen Wagen zu schneiden. Die Frist von einer Woche war zwar noch nicht verstrichen, aber wenn Rufus wirklich das Pech anzog, wie Lupus sagte, mochte es sein, dass ausgerechnet er an einen sparfüchsigen Mitarbeiter geriet, der ihn schon vorher in den vermeintlichen Hundehimmel beförderte, weil die Gelder knapp waren. Die Töle wird eh nicht abgeholt werden, daher können wir ihr auch sofort die Todesspritze verpassen, anstatt Futter für sieben Tage zu vergeuden.
Doch diesmal hatte Rufus Glück. Als ein junger Mitarbeiter mit einer festen Zahnklammer Tala im Tierheim zu den Neuzugängen führte, erkannte sie den Werwolf sofort an den Blessuren, die Dante ihm zugefügt hatte. Offensichtlich heilten Wunden bei Werwölfen schneller als bei normalen Wölfen oder Menschen, denn sie waren schon jetzt nur noch blasse Wulste. Fell jedoch war an diesen Stellen nicht nachgewachsen. Sein Fell sah stumpf aus. Er hatte die unglücklichsten Augen, die Tala jemals gesehen hatte.
«Das ist er.» Sie zeigte auf den Rotwolf. Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung.
Pete stand auf dem Schild, das der Angestellte auf der Brusttasche seines grünen Jerseyhemdes trug, darunter Studentische Aushilfskraft . Er holte eine Leine vom Empfang, öffnete den Käfig und legte Rufus das Halsband an. «Man könnte den Kläffer glatt für einen Wolf halten, wenn er nicht so klein wäre», spaßte er.
«Niemals.» Tala winkte übertrieben ab. Als Pete ihr den Rücken zuwandte, warf sie Rufus einen genervten Blick zu und verdrehte die Augen.
Der Kleine tat ihr leid. Er sah sie mitleiderregend an und winselte, als sie die Leine annahm. Sie hockte sich vor ihn hin und streichelte behutsam über sein Fell, worauf Rufus ihre Hand dankbar ableckte. Träge folgte er ihr zum Empfang, als würde das Laufen ihm Schmerzen bereiten.
Tala konnte zwar keinen Beweis vorlegen, dass sie die Besitzerin des vermeintlichen Hundes war, aber Pete reichten ihre Unterschrift und ihre Adresse aus – und natürlich die Dollarscheine für die Unterbringung und das Futter. Er war froh, ihn loszuwerden, das merkte Tala ihm an. Ein Hund weniger, der das Budget schrumpfen ließ. Und einer weniger, den er töten musste. Tala beneidete ihn nicht um seinen Job.
Sie hatte Rufus kaum in den Pick-up gehoben, als er begann, sich in einen Menschen zu verwandeln. Der Anblick zerriss sie innerlich, denn er quälte sich sichtlich. Weil er zu lange in der Gestalt des Wolfes verbracht hatte, durchlitt er bei der Verwandlung höllische Schmerzen. Seine Knochen knackten so laut, dass Tala befürchtete, sie würden brechen. Doch das taten sie nicht, sie waren nur eingerostet.
Zitternd kauerte Rufus im Fußbereich. Tala half ihm auf den Beifahrersitz und legte ihm eine Decke um. Dann stieg sie ein und startete den Wagen. «Zu mir oder zum Rudel?»
Der Junge schaute müde zu ihr auf. Seine Stimme klang brüchig. «Zu Claw.»
«Nicht lieber zu Lupus?»
Er schüttelte den Kopf, legte diesen dann auf ihren Schoß und schloss seine Augen.
Sie fand es seltsam, dass er ausgerechnet zu Claw wollte, der ihn sowieso nicht sonderlich gut leiden konnte, aber er war nun mal der Alphawolf. Wahrscheinlich wollte Rufus ihm als Erstes berichten, was geschehen war. Claw würde nicht erfreut sein und den Jungen einen Dummkopf schimpfen, der besser auf sich aufpassen sollte, doch Tala würde sich vor Rufus stellen, das nahm sie sich fest vor.
Mütterlich zog sie die Decke über eine seiner Fersen, die herauslugte. Dann fuhr sie zu der Adresse, die Rufus ihr nannte. Noch etwas, über das Claw alles andere als glücklich sein würde. Nun wusste sie, wo er wohnte.
Die Neugier wuchs mit jeder Kreuzung, die sie überquerte. Wohnte er in einem eigenen Häuschen oder einer Wohnung? Wie sah sein Apartement aus? Hatte er
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