Alphawolf
errötete doch tatsächlich, als er an ihr vorbei ins Haus trat. War er wirklich ein wenig verliebt in sie, wie Claw angedeutet hatte?
Tala brühte eine Kanne schwarzen Tee auf. Als sie mit einem Tablett, auf dem die Teekanne, Gläser und Kandiszucker standen, ins Wohnzimmer kam, hatte Rufus seine Jacke ausgezogen und saß mit angewinkelten Beinen auf der Couch. Sie nahm neben ihm Platz und stellte das Tablett ab. «Wieso ist Lupus nicht mit reingekommen?»
«Er fühlt sichᅠ... ihm geht es nicht gut», druckste der Junge herum und lehnte sich an sie, als suchte er ihren Trost.
Tala streichelte ihn beruhigend, da sie sah, wie mitgenommen er war. Sie glaubte immer weniger, dass Lupus an einer Erkältung litt, wie er behauptet hatte. Ihr fiel auf, dass sie bei Rufus durch die Kleidung nicht einmal mehr die Wundränder von Dantes Angriff spüren konnte. Wenn seine Blessuren so schnell heilten, wie konnte es dann sein, dass der alte Mann an einer Krankheit litt, die ihn einschränkte?
Das schlechte Gewissen plagte Tala, weil sie soeben die Entscheidung getroffen hatte, auszunutzen, dass Rufus das schwächste Glied des Rudels war.
«Wie kann Lupus krank sein?», fragte sie scheinheilig, goss dem Jungen eine Tasse Tee ein und reichte sie ihm. «Der Wolf in ihm müsste ihn doch stärken und die Heilung schnell vorantreiben?»
Er nahm den Tee, setzte zu einer Antwort an: «Pankre–», und verstummt erschrocken.
«Pankreas?», half sie ihm auf die Sprünge.
Offensichtlich fühlte er sich ertappt, denn er wich ihrem Blick aus und schaufelte so viel Zucker in seine Tasse, dass Tala sicher war, dass der Tee ungenießbar dadurch geworden war.
Sie lehnte sich zurück, zog ihn in ihre Arme und strich ihm einige Haare aus der Stirn. «Was ist mit seiner Bauchspeicheldrüse?»
Rufus nippte an seinem Tee, verbrannte sich die Zunge und verzog das Gesicht. Während er die Tasse wegstellte, leckte er immer wieder über seine Lippen, als würde sein Speichel den Schmerz lindern. «Pankreaskarzinom, so heißt das richtig, was er hat. Ich habe lange geübt, bis ich das Wort aussprechen konnte.»
«Bauchspeicheldrüsenkrebs? Oh, mein Gott!» Sie wünschte sich in dieser Sekunde, nicht nachgebohrt zu haben. Sie konnte Lupus gut leiden.
Er sah zu ihr auf und legte die Handflächen aneinander. «Bitte, erzähl niemandem, dass du es weißt. Wenn Claw erfahren würde, dass ich geplappert habeᅠ...» Er sprach den Satz nicht zu Ende. «Lupus wäre sehr enttäuscht, dass ich sein Geheimnis verraten habe.»
«Ganz bestimmt nicht. Ich schweige wie ein Grab.» Sie legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen und strich ihm übers Haar.
Seine Augen wurden feucht. «Für eine Operation ist es zu spät.»
«Weil er ein Werwolf ist und die Ärzte das merken würden», mutmaßte sie.
Doch er schüttelte den Kopf. «Er war schon krank, bevor er gebissen und infiziert wurde. Die Chemotherapie sprang nicht bei ihm an. Das ist oft so bei diesen blöden Pankreastumoren, hat er mir gesagt.»
«Weshalb ist die Krankheit noch da?» Gedankenversunken schlürfte sie an ihrem Tee und stellte ihn wieder ab, da sie aufgrund der schockierenden Neuigkeiten vergessen hatte, Zucker hineinzugeben. «Deine Wunden sind schnell verheilt. Müsste der Krebs nicht zum Stillstand kommen oder sogar ganz verschwinden?»
Rufus zog die Nase hoch. Er war sichtlich bemüht, nicht zu weinen. «Wenn der Tumor erst einmal da ist, bleibt er da. Wir sind nicht unsterblich, weißt du? All dieses Zeug, was man in den Filmen sieht, ist Unsinn. Alles kann uns töten, nicht nur Silber. Wir können eines natürlichen Todes sterben, aber wir sind zäher, kräftiger, deshalb leben wir einige Jahrzehnte länger. Der Wolf in uns ist stark, aber auch er kommt nicht gegen den Tod an. Wenn man eine schlimme Krankheit hat, hat man sie. Sie geht nicht weg, sondern schreitet nur langsamer voran. »
Wie in Slowmotion, dachte Tala. Ihr Mund war trocken. Sie gab Kandiszucker in ihren Tee, rührte mehrmals kräftig um und trank einen großen Schluck. Das hatte der alte Mann nicht verdient. Das hatte niemand verdient. Ein Tod auf Raten, doch das Unvermeidbare würde eintreten, lediglich später als früher. «Wusste Lupus das, bevor er zum Werwolf wurde?»
Rufus seufzte und wischte sich über die Augen, bevor sich eine Träne lösen konnte. «Er hatte gehofft, dass mit dem Biss alles Leid vorbei wäre und er wieder ein normales Leben mit Elise führen könnte.»
«Elise?» Ihr war kalt, obwohl
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