Alptraum in Pink
ich, dass sie mindestens fünfzig Gäste erwartete.
Sie kam mir in einem grünen Abendkleid entgegengerannt, mit einem Lächeln auf den Lippen und Perlen um den Hals. Das weiße Haar war zu einer hohen Frisur aufgetürmt. Sie stieß kleine Freudenschreie der Begrüßung aus, zog mich in ein kleines Arbeitszimmer neben dem Foyer und schloss die Mahagonitür hinter sich. Sie hielt meine Hände, blickte zu mir hoch und sagte: »McGee, McGee, was sind Sie nur für ein gut aussehender, durchtriebener Gauner! Wenn ich doch nur dreißig Jahre jünger wäre!«
»Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Mrs. Thatcher.«
»Wie?«
»Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Connie.«
Sie führte mich zur Couch, und wir setzten uns. »Ich bilde mir nicht ein, dass Sie eine alte Dame nur aus Zuneigung und um der alten Zeiten willen besuchen, McGee. Also wollen Sie etwas. Und wenn ich Sie mir so ansehe, führen Sie noch immer kein geregeltes Leben. Das werden Sie auch nie. Sie sind ein Herumtreiber, McGee.«
»Sie haben mir ja nie das passende Mädchen vorgestellt, Connie.«
»Ich habe Ihnen eins vorbeigeschickt, mein Lieber. Aber das war reine Therapie.«
»Wie geht es Joanie?«
»Wieder bei ihrem Mann, aber das wissen Sie ja bestimmt, nicht wahr? Schließlich haben Sie ihr diesen Rat gegeben, wie sie mir erzählt hat. Inzwischen hat sie ihr drittes Kind. Offenbar ist sie glücklich. War ich nicht eine böse alte Frau, als ich sie zu Ihnen geschickt habe?«
»Das wissen Sie doch genau.«
»Sie hatte eine Affäre dringend nötig, und sie hätte ja auch unter die Räuber fallen können. Als sie zurückkam, hat sie innerlich geglüht, McGee. Ich wäre vor Eifersucht fast gestorben. Erzählen Sie mir, in welche geheimen Geschichten Sie diesmal verwickelt sind. Verdienen Sie dabei auch etwas?«
»Was wissen Sie über Charles McKewn Armister den Vierten?«
Sie schaute mich an, den Kopf leicht geneigt, ein Auge zusammengekniffen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie einmal sehr schön gewesen sein musste. »Das ist eine interessante Frage«, meinte sie. »Ich weiß, was es zu wissen gibt.«
»Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
»Als ich ein kleines Mädchen war, bin ich einmal vom Pferd gefallen, eines von vielen, vielen Malen, und sein Großvater hob mich auf. Und eine ganze Zeit lang dachte ich, ich würde seinen Vater heiraten, einen romantischen Burschen, der gerne küsste und Liebesgedichte schrieb. Aber der junge Charlie war schon immer ein Stockfisch. Er war ein sehr braver Junge. Er hat jung geheiratet, ich glaube, sie waren beide zwanzig. Er hat Joanna Howlan geheiratet, Geld zu Geld. Ihre Sommerhäuser in Bar Harbor lagen direkt nebeneinander. Das richtige Mädchen für ihn, nehme ich an. Eins von diesen stämmigen Mädchen mit Sommersprossen, sehr sportlich, mit einem netten Lächeln, und so anständig wie er. Zwei Kinder stammen aus der Ehe, ein Junge und ein Mädchen. Ich schätze, der Junge ist jetzt zweiundzwanzig und dient irgendwo in der Welt im Peace Corps; das Mädchen dürfte achtzehn sein. Sie studiert in Holyoke.« Sie blickte stirnrunzelnd ins Leere.
»Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, McGee. Charlie und seine Frau haben nicht das richtige Gespür für Geld, zumindest nicht für so viel Geld. Es liegt an ihrem Hang zum Einfachen. Sie nehmen dem Geld den ganzen Zauber. Eine Art umgekehrter Snobismus, glaube ich. Oder ein schlechtes Gewissen der Gesellschaft gegenüber. Ich weiß es einfach nicht. Sie besitzen das alte Haus auf der Insel, eine Wohnung in der Stadt und ein kleines Häuschen am Hobe Sound. Es sind ruhige, höfliche, umsichtige und langweilige Leute, und, wie ich schon gesagt habe, sehr sportlich. Tennis und Segeln und dergleichen. Man sagt, dass Charlie sehr hart arbeitet, nach dem Geld schaut, es vermehrt und den richtigen Organisationen spendet. Merkwürdig, dass wir vorhin von einer Affäre gesprochen haben, weil ich gehört habe, dass Charlie zurzeit eine haben soll.«
»Hm?«
»Genau der Zeitpunkt, an dem man so etwas von einem Mann erwartet, der jung geheiratet hat, McGee. Vor einem Jahr hatte er so eine Art Zusammenbruch. So ein Fall von Lebensangst. Jetzt leben er und Joanna getrennt, aber von Scheidung ist noch nicht die Rede. Er hat eine eigene Wohnung in der Stadt. Und der arme Kerl hat sich, nach Jahren der Zurückhaltung, öfter mal betrunken in der Öffentlichkeit gezeigt und hat Aufsehen erregt. Außerdem habe ich auch etwas Merkwürdiges über seine
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