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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Hinterzimmer. Ich blieb einige Minuten sitzen, ohne daß jemand den Gasthof betrat oder der Wirt zurückkehrte. Allmählich empfand ich Zorn. Was bildeten sich diese Leute eigentlich ein? Für wen hielten sie sich, daß sie sich ein Urteil über Fremde anmaßten, die sie gar nicht kannten? Wieso begegnete man mir überall in dieser Gegend mit Feindschaft? Ich hatte in diesem Ort mit nur zwei Menschen ein Wort gewechselt. Existierte zwischen Skelmerhe und Largs eine Art geheimer Nachrichtenverbindung, das die Bewohner beider Ortschaft von meiner Ankunft in Kenntnis setzte?
    Nach einer Minute, die mir wie eine Ewigkeit erschien, kapitulierte ich, schob meinen Stuhl zurück und stand auf. Ich wollte die Gaststube gerade verlassen, als sich hinter der Theke ein Vorhang teilte und eine schlanke, schwarzhaarige junge Frau in mein Blickfeld trat. Sie war von geradezu atemberaubender Schönheit, und ihre armseligen Kleider paßten nicht im geringsten zu ihr. Zwei kohlschwarze Augen lächelten mir freundlich, aber auch traurig zu, dann erkundigte sie sich nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen halben Liter Lagerbier und nahm sie näher in Augenschein. Als sie das Bier gezapft und vor mir abgestellt hatte, stampfte plötzlich der Wirt zurück in die Gaststube. Er schwang einen Knüppel, auf seiner Stirn schwoll eine dicke Zornesader. »Du verdammtes Luder!« schrie er außer sich. »Hab’ ich dir gesagt, du sollst ihn bedienen, gallus besom?! Na warte, bleart tattie bogle, jetzt zeig’ ich dir, wie man mit Gesindel deines Schlages fertig wird!«
    Er holte mit dem Knüppel aus. Die junge Frau öffnete den Mund zu einem Schrei der Furcht, in ihre Augen glänzte Entsetzen. Ich fuhr hoch, packte den nächsten Stuhl, sprang dem Wirt mit einem Satz entgegen und ließ das Sitzmöbel mit voller Wucht auf seinen Rücken krachen. Der Wirt stieß einen Schmerzensschrei aus und fuhr wütend herum. Der Knüppel traf meine Brust, und mir blieb die Luft weg. Die junge Frau schrie gellend auf und schützte ihren Kopf mit beiden Händen, doch der Wirt beachtete sie nicht mehr; statt dessen warf er mir die wüstesten Verwünschungen an den Kopf. Als der Knüppel erneut hochflog, versetzte ich ihm einen heftigen Faustschlag unters Kinn. Der Wirt verdrehte ächzend die Augen, verlor die Balance und taumelte rückwärts. Der Knüppel entfiel seiner Hand und polterte auf die Dielen. Während er ungläubig sein Kinn rieb, floh die junge Frau aus seiner Reichweite und ergriff meinen linken Arm. Sie brachte kein Wort hervor, obwohl ihre Lippen sich bewegten.
    »Raus mit euch!« schrie der Wirt. Die Ader auf seiner Stirn pochte. Sein Blick heftete sich auf den Knüppel, der zwischen uns am Boden lag. »Ich hab’ ein Schießeisen hinter der Theke! Raus! Gang tae Banff! Oder ich bring’ euch beide um!«
    Ich nahm die junge Frau bei der Hand und zog sie mit mir ins Freie. Als wir auf der Straße standen, wurde mir klar, was ich getan hatte: Die Serviererin war ihre Stellung los, und in diesem Ort würde sie wahrscheinlich so schnell keine andere finden. In dieser Hinsicht unterschieden sich die schottischen Kleinstädte bestimmt nicht von den amerikanischen: auch hier steckten die Geschäftsleute unter einer Decke. Es lag in ihrer Macht, sich mißliebige Personen schnell vom Hals zu schaffen. Und renitente Angestellte waren ihnen äußerst mißliebig. »Danke, Sir«, sagte die jungen Frau leise und unter Tränen, ehe ich mich bei ihr entschuldigen konnte.
    »Ich bitte Sie, Miss«, erwiderte ich verlegen. »Das hätte doch jeder Gentleman für Sie getan.« Ich fragte sie, was sie nun anfangen wollte und äußerte mein Bedauern darüber, nicht diplomatischer mit dem Wirt umgegangen zu sein.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, meinte sie achselzuckend und putzte sich verlegen die Nase. »Ich muß doch für meine Geschwister sorgen … Aber nach diesem Zwischenfall kriege ich in Largs keine Chance mehr.«
    Auf meine diesbezügliche Frage teilte sie mir mit, daß ihr Name Marjorie Storni war, und daß sie mit ihrem Bruder Keith und ihrer Schwester Dorothy in einem halb verfallenen Häuschen am Ortsende wohnte. Aus Dank, weil ich sie vor der Prügel des Wirts bewahrt hatte, lud sie mich zu einer Tasse Tee ein und stellte mich ihren Geschwistern vor. Keith war fünfzehn, Dorothy siebzehn Jahre alt. Als wir in der kleinen Küche beisammen saßen, dachte ich mir, daß ich den Storms etwas schuldig sei und machte ihnen das Angebot, auf Ashton Manor zu

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