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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Whisky unter die Nase. »Hier, trinken Sie ’n Schluck. Das regt die Phantasie an. Und nehmen Sie Platz! Mein Gott, wie ich mich freue, mal wieder ’n Landsmann zu sehen!«
    Ich setzte mich auf eine alte Kiste. »Ich heiße Roderick Ashton. Ich habe hier in der Gegend ein Landhaus und bin im Ort, um Personal anzuwerben. Kennen Sie zufällig jemanden, der Arbeit sucht?«
    Als ich meinen Namen nannte, ließ ich das Gesicht des Alten nicht aus den Augen. Ich wollte endlich wissen, was in den Köpfen der Landbevölkerung vorging, wenn sie den Namen Ashton hörte. Zu meiner Überraschung verhielt sich der alte Knabe jedoch völlig normal. »Ashton«, murmelte er nachdenklich. »Sagen Sie, gehört Ihnen der alte Landsitz bei Skelmerhe?«
    »Ja.« Ich war erfreut, endlich jemanden getroffen zu haben, den nicht schon mein bloßer Name in Panik versetzte.
    »Ich glaube, ich bin mal dort gewesen«, murmelte der Alte. »Muß vor fünfzehn Jahren gewesen sein, als ich den Scotsman noch gemacht hab’. War ’n schmucker Kasten damals.«
    »Vor fünfzehn Jahren?« fragte ich interessiert. »Haben Sie meinen Onkel Stephen noch gekannt?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Stephen Ashton? Nein, nicht persönlich. Den hat kaum einer gekannt. Er war ’n Sonderling. Hat sich mit den Leuten aus den Dörfern nie groß abgegeben.« Er kicherte.
    »Warum lachen Sie?«
    »Weil mir einfallt, daß ’n paar Bauern ihn für ’n Mörder gehalten haben. Ist lange her. Damals ist ’n Mädchen verschwunden …«
    Mir wurde heiß. Ich dachte an das Skelett. »Die Polizei hat in der Umgebung jeden Stein umgedreht, aber niemand hat sie gefunden. Es hat zwar alles darauf hingedeutet, daß sie von zu Hause ausgerissen ist, aber ’n paar Leute meinten, der Besitzer von Ashton Manor müßte das Mädel ermordet haben. Die Leute waren ganz schön aus dem Häuschen.« Er tippte sich an die Stirn. »Der typische Argwohn, den man auf dem Land gegenüber Zugezogenen hat. Ich hab’ auch Jahre gebraucht, bis ich akzeptiert worden bin.« Ich spürte meine Blässe. Das Skelett ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Man hatte Onkel Stephen also verdächtigt. War er wirklich der Mörder gewesen?
    Der Alte stand auf. »Ach, ich hab’ mich ja noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Harry Grendon. Ex-Verleger des Flying Scotsman. Ja-ja, das waren noch Zeiten! Damals sind wir jede Woche erschienen. Aber 1918 mußte ich das Handtuch werfen. Heute ist in den Setzkästen mehr Staub als Blei. Die großen Blätter haben mich längst kaputtgemacht.«
    Plötzlich erwachte mein Interesse an Grendons Zeitung. Wenn der Mann bis 1918 als Chronist der Umgebung fungiert hatte, mußte er ein reich bestücktes Archiv besitzen. Und da mir sehr daran gelegen war, Näheres über Onkel Stephen, die Morde und die Geschichte dieses Landkreises zu erfahren, erkundigte ich mich, ob er noch alte Ausgaben des Flying Scotsman besäße.
    »Aber ja«, sagte Grendon. »Sämtliche Jahrgänge, angefangen mit der ersten Ausgabe von 1848, alle gebündelt, eingeheftet und verschnürt. Haben Sie Interesse daran? Ich kann ohnehin nichts mehr damit anfangen, und wenn ich in die Grube fahre, was hoffentlich noch nicht allzu bald der Fall sein wird, landen sie ohnehin beim Altpapier. Der Scotsman war ja keine Publikation von kultureller Wichtigkeit, sondern eher ’n Klatschblatt für die Landbevölkerung. Wenn Sie die Ausgaben haben wollen – kein Problem. Ich fürchte allerdings, Sie werden für den Abtransport ’n Automobil brauchen.«
    Wir einigten uns auf einen Gesamtpreis von fünfzig Pfund, und ich stellte Grendon einen Scheck aus, den er mit freudigem Zungenschnalzen entgegennahm. Ich versprach ihm, meinen Chauffeur mit dem Wagen vorbeizuschicken, und machte mich auf den Weg, um Perkins Bescheid zu sagen. Die ganze Ladung auf einmal konnte er unmöglich befördern, also sollte er in den nächsten Tagen nochmals nach Largs fahren.
    Nachdem Perkins vor dem Scotsman-Gebäude vorgefahren war und den alten Schuppen in Grendons Begleitung betreten hatte, ging ich in den Gasthof, wo mich eisige Stille empfing. Der Wirt hätte ein Bruder des Mannes in Harley’s Inn sein können. Er maß mich mit einem Blick, der nichts anderes aussagte, als daß ich mich zum Teufel scheren sollte. Die Gaststube war leer. Ich ignorierte die Unverschämtheit des Burschen, nahm an einem Tisch Platz und bestellte ein Bier. Der Wirt schaute durch mich hindurch, dann verließ er ohne ein Wort die Gaststube und verschwand im

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