Alptraumland
muß ich zugeben, daß das, was ich vorgefunden habe, bei mir eine beträchtliche Konsternation hervorgerufen hat.
Ich neige nicht zum Französeln, aber manche der Geschehnisse, die sich in der Vergangenheit Ashton Manors ereignet haben, kann man nur als degoutant bezeichnen. Beunruhigend ist indessen: Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, als sei für unseren Freund Roderick Ashton weniger das dumme Landvolk das Problem beim Antritt seines rechtmäßigen Erbes, sondern viel stärker die Familie Ashton selbst.
Nein, Frank, ich untertreibe, ich schleiche mich, wie man so sagt, um den heißen Brei herum. Was ich andeute, ist nicht einfach unappetitlich, es ist geradezu blasphemisch. Ich wage vorerst nichts davon zu Papier zu bringen.
In den nächsten Tagen schreibe ich wieder. Vielleicht hat sich bis dahin alles aufgeklärt und in Wohlgefallen aufgelöst.
Es grüßt Dich
Howard
DIE AUSSAGE DER MARJORIE STORM
Leiter des Verhörs:
Superintendent Roger Thornhill, Scotland Yard
THORNHILL: Miss Storni, würden Sie dem Ausschuß, damit er sich ein Bild von Ihnen und den Umständen Ihres Lebens machen kann, bitte ein paar Lebensdaten geben?
STORM: Äh … Ja, Sir … Ich heiße Marjorie Storm. Ich wurde am 16. April 1902 in Largs geboren. Ich habe … Ich hatte zwei Geschwister, Keith und Dorothy. Unser Vater stammte aus Dun Loaghaire in Irland. Er war Sohn eines Farmers. Der Hof seiner Familie fiel an den älteren Bruder. Darum hat Vater sich als Seemann verdingt. Im Jahre 1897 nahm er als Helfer an einer wissenschaftlichen Expedition in die Südsee teil. Dort hatte er Glück. Er fand einen bescheidenen Perlenschatz. Vom Erlös hat er sich in Largs angesiedelt und die verschuldete Farm des verstorbenen Vaters seiner Verlobten gekauft. Also unserer späteren Mutter. Meine Schwester Dorothy, mein Bruder Keith uns ich sind dort zur Welt gekommen.
THORNHILL: Miss Storm, wissen Sie, wie man Ihren Vater in Largs aufgenommen hat?
STORM: Nicht allzu freundlich, Sir. Er war immer ein Eindringling, so lange ich mich zurückerinnern kann. Und als unsere Eltern starben und die Farm unter den Hammer kam, erging es mir und meinen Geschwistern sehr schlecht.
THORNHILL: Hatte Ihre Familie, bevor Sie Mr. Roderick Ashton kennenlernten, je irgendwelche Beziehungen zu Ashton Manor?
STORM: Nein, Sir. Soweit mir bekannt ist, hat es keinerlei Umgang zwischen Mr. Stephen Ashton und meiner Familie gegeben.
THORNHILL: Hat Ihr Vater, als er noch lebte, Ihnen je etwas über Mr. Stephen Ashton erzählt, Miss Storm?
STORM: Nein, Sir … Eher mein Großvater. Aber das waren nur allgemeine Dinge über die Familie.
THORNHILL: Zum Beispiel?
STORM: Daß Mr. Stephen Ashton, der damalige Besitzer des Hauses, der Nachfahre eines uralten Geschlechts ist. Daß er in Kanada ein großes Vermögen verdient, das Haus seiner Ahnen zurückgekauft und bewohnbar gemacht hat … Und daß er …
THORNHILL: Ja, Miss Storm?
STORM: … zu den Menschen gehört, mit denen nicht gut Kirschen essen ist.
THORNHILL: Hat er das wörtlich gesagt?
STORM: Nein, Sir.
THORNHILL: Wie also hat er sich wörtlich ausgedrückt?
STORM: Muß ich diese Frage beantworten, Sir?
THORNHILL: Der Ausschuß und ich würden dies als sehr erhellend erachten, Miss Storm.
STORM: Ich möchte diese Frage trotzdem lieber nicht beantworten, Sir. Mein Großvater war ein derber Mann vom Land … Er hat Mr. Stephen Ashton mit einem Ausdruck bedacht, den … Frauen unter keinen Umständen in den Mund nehmen sollten. Ich möchte nur soviel sagen, daß dieser Ausdruck sich auf den … weiblichen Umgang Mr. Ashtons bezog.
THORNHILL: Ich … ähm … kann Sie verstehen. Natürlich ist mir klar, daß es einer Dame schwerfällt, Ausdrücke in den Mund zu nehmen, die möglicherweise eher in eine Herrenrunde passen. Kannten Sie andere Personen, die mit Mr. Stephen Ashton enger zu schaffen hatten, Miss Storm?
STORM: Ja, Sir.
THORNHILL: Aus der Gegend von Largs?
STORM: Ja, Sir.
THORNHILL: Hatten Sie den Eindruck, daß die fraglichen Personen ein ähnliches Urteil über Mr. Ashton fällten, Miss Storm?
STORM: Ja, Sir.
THORNHILL: Könnten Sie ein bißchen konkreter werden, Miss Storm – vorausgesetzt, Sie haben nicht das Gefühl, in eine peinliche Situation zu geraten?
STORM: Ich habe gemerkt, daß alle Personen, die sich über Mr. Stephen Ashton äußerten, ihn persönlich gar nicht kannten. Deswegen habe ich ihrem Urteil kaum Bedeutung beigemessen. Aber im Grunde vertraten
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