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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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in den vergangenen Jahrhunderten in diesen Gewölben und hinter den Mauern der blasphemischen Kathedrale im Namen des Unaussprechlichen passiert war, in vollkommener Klarheit.
    »Es ist furchtbar«, sagte Howard mit hohler Stimme. Sein Fuß stieß gegen einen bleichen Schädel, der zur Seite rollte und am Fuß eines Knochenhaufens liegenblieb.
    »Die Knochen, die Knochen«, flüsterte Redgrave. Er schüttelte den Kopf, seine Hände zitterten.
    »Die Grotte muß vor Urzeiten der Schlupfwinkel dieser geheimnisvollen Insektengeschöpfe gewesen sein«, sagte ich in einem Ton, als wüßte ich genau Bescheid. »Die Abbildungen auf dem Fries legen nahe, daß sie sich unter die Erde zurückgezogen haben … Vermutlich weil es ihnen oben allmählich zu gefährlich wurde.«
    »Sie hatten geraubte Kinder bei sich«, sagte Redgrave. »Menschliche Kinder.«
    »Ja. Vielleicht zu Zuchtzwecken, um ständig frische Nahrung zu haben. Vielleicht aber auch, um sie dazu abzurichten, das schmutzige Handwerk ihrer Herren an der Oberwelt zu verrichten.«
    Ja. So war es gewesen.
    »Nachdem sie sich unter der Erde Zuflucht gefunden hatten«, fügte ich hinzu, »haben sie die entführten Kinder als Spitzel abgerichtet. Sie haben sie bei Nacht und Nebel in die Dörfer geschickt, um neue Opfer zu suchen. Die Kinder wurden in ihrem Sinne erzogen und somit zu ihren treuen Unterlingen. Irgendwann müssen die Insektoiden dann ausgestorben sein. Möglicherweise konnten sie sich diesem Planeten auf Dauer doch nicht anpassen. Vielleicht waren die Ashtons Nachkommen ihrer einstigen Zöglinge. Sie haben ihre Festung über der Grotte erbaut und im alten Geiste weitergelebt.«
    »Ihre Schlußfolgerungen leuchten mir ein«, sagte Redgrave. »Aber sind sie wirklich ausgestorben? Vielleicht hausen sie noch unter der Erde. Vielleicht haben sie nur den Unterschlupf gewechselt … sich tiefer ins Erdinnere verkrochen, und warten auf den Tag, an dem sie wieder nach der Macht greifen können.« Howard schlotterte am ganzen Leibe. Auf einmal spürte ich einen seltsamen, elektrisch geladenen Luftzug auf der Wange. Jemand lauerte in der Nähe, ich glaubte es deutlich zu gewahren. Unwillkürlich haschte ich nach Howards Ärmel. Howard sah mich trüben Blicks an. »Wa-was ist de-denn, Roderick?« stammelte er matt. Seine Piepsstimme klang jetzt nach schrillem Falsett.
    Stumm schüttelte ich den Kopf. Ich hätte keine vernünftige Auskunft zu geben gewußt.
    »Man ahnt förmlich die frühere Atmosphäre dieser abscheulichen Örtlichkeit«, sagte in diesem Moment Redgrave. »Ich habe das eigenartige Gefühl, beobachtet zu werden. Mir ist zumute, als könnte ich Blicke spüren.«
    Also merkte er es auch.
    Howard hüstelte. »Grauenvoll«, fispelte er. »Einfach grauenhaft … diese Kälte.«
    Ich stutzte. Was redete er da? Was zählte die klamme Kühle hier unten im Vergleich zu den jahrhundertealten Beweisen widerwärtiger Abscheulichkeiten, die wir entdeckt hatten? Da entsann ich Howards außergewöhnlicher Kälteempfindlichkeit.
    Nun brach wahrhaftig ein lautes Brüllgelächter aus mir hervor. Wir standen mitten in einem Massengrab, der einstigen Kultstätte scheußlicher Riten, im Alptraumland meiner Marternächte – aber Howard blieb Howard. Als echter Gentleman bewahrte er Contenance. Er nahm das alles hier mit der ›stahlkalten Intellektualität‹ des aufs Abseitige spezialisierten Gentleman-Schriftstellers nur zur Kenntnis. Längst war ihm nichts noch so Blasphemisches mehr fremd. Es hauste ja seit eh und je in den Abgründen seiner Seele. Ihm ratterten die langen Pferdezähne nicht aus Grausen. Er fror ein bißchen … Sonst nichts.
    Von uns zweien war zweifellos Howard das größere Ungeheuer. Vor Belustigung konnte ich kaum noch an mich halten. »Hehehe, du siehst verdammt schlecht aus, Howard, mein lieber Junge«, spaßte ich. Stets hatte er die blöde Angewohnheit gehabt, näher bekannte Briefpartner, darunter auch mich, mit ›lieber Junge‹ anzureden, selbst wenn sie nur wenig jünger als er waren oder ungefähr das gleiche Alter hatten. »Du siehst aus, als wärst du gerade aus deinem Lieblingsgrab gekrochen, hehe-hehehe …!«
    »Still!« unterbrach mich Redgrave. »Ruhe! Da ist irgend etwas.«
    Wir lauschten. Nichts.
    »Ein Geräusch?« fragte ich. »Haben Sie etwas gehört?« Ich empfand einen unwiderstehlichen Drang zur Albernheit. »Hu, bestimmt eine Fledermaus.«
    »Warum haben Sie gelacht?« fragte Redgrave völlig humorlos. »Mir war danach«,

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