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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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antwortete ich lapidar.
    Dr. Redgrave stieß ein undeutbares Brummen aus. Wieder der Luftzug. Ich glaubte das Wispern einer Stimme zu hören. Wir fanden vergitterte Käfige vor, in denen Dutzende von Skeletten lagen, ohne Zweifel gleichfalls Überreste von Menschen, die man nach Aufgabe der Burg unter der Erde zurückgelassen hatte. Weiter entdeckten wir zahlreiche Feuerstellen und Spieße, an denen geschrumpfte Fleischreste klebten.
    Wir betraten die Kathedrale durch das Hauptportal. Sie bestand aus einem einzigen Raum. Man mußte einige Stufen hinaufgehen, um den Altar zu erreichen. An der Wand dahinter hing ein umgedrehtes, von hundert grinsenden Totenschädeln umringtes Kreuz. Überall roch es nach Moder und Tod. Ich bemerkte, daß Redgrave mittlerweile im Gesicht grünlich aussah. Warum graute es ihm? Fürchtete er die Geister der Vergangenheit? Ausgerechnet jetzt, nachdem ich meinen Schrecken überwunden hatte?
    »Die Menschen verstehen nichts«, wisperte Onkel Stephen. »Sie werden es niemals verstehen …«
    »Du hast recht, Onkel«, bestätigte ich ihm. »Sie sind mickrige, feige Weichlinge. Schwächlinge. Sie sind nun einmal von dieser Welt.«
    »Was gibt’s, Mr. Ashton?« rief Redgrave und richtete den Lichtkegel seiner Lampe auf mich. »Mit wem reden Sie?«
    »Die Lampe weg!« schrie ich aufgebracht. »Wie können Sie so etwas wagen?!« Der grelle Lichtschein peinigte meine Augen. »Aber was ist denn los, Mr. Ashton?« Dr. Redgrave senkte die Lampe, bis der Lichtkegel nur noch meine Füße erhellte. Ich hörte Howard in der Finsternis keuchen. »Mr. Ashton, können Sie mir sagen, was vor sich geht?«
    »Sie sind gefährlich, Roderick«, flüsterte Onkel Stephen mir zu. »Du mußt sie vernichten. Die Zeit der Untätigkeit ist vorbei. Du hast das Gedächtnis unserer Rasse … So wie ich.«
    »Ja, ja …«, rief ich enthusiastisch. »Was soll ich tun? Sag mir, was ich tun soll, Onkel!«
    »Offenbar hat das Gräßliche dieser Funde Mr. Ashtons Geist zeitweilig gestört, Mr. Lovecraft«, hörte ich Redgrave halblaute Stimme. »Aber solch ein Schock hat sich schon in zahlreichen Fällen als heilsam erwiesen, und wir wollen hoffen, daß er auch bei Ihrem Freund eine so vorteilhafte Wirkung zeitigt. Kommen Sie, wir bringen zurück ins Haus.«
    Ich hatte alles deutlich verstanden. Howard wankte auf mich zu, hob schwächlich den Arm. Ich schlug ihm den Arm mit einem wuchtigen Hieb zur Seite, so daß seine Stablampe gegen den Altar schmetterte und erlosch. Im gleichen Augenblick schaltete ich meine Lampe aus und rannte fort.
    »Sie dürfen nicht zum Ausgang zurückfinden, Roderick. Du mußt auch die andere Lampe zerschlagen.«
    »Ja, ja!«
    »Laß sie nicht entkommen. Sie sind für uns wertvoll. Wir brauchen ihr Fleisch und ihre Lebenskraft.«
    »Ja, Onkel, ja.«
    Ich hastete durch die Dunkelheit, fand den Weg mit Sicherheit eines Traumtänzers und versteckte mich in einer Nische, bis ich Howards und Redgraves Schritte nähertappen hörte.
    »Wir müssen ihn unbedingt finden«, hörte ich Redgrave sagen. »In seiner umnachteten Gemütsverfassung schwebt er in diesen Höhlen in Lebensgefahr. Wer weiß, was ihm zustößt, oder was er sich antut … Es ist merkwürdig. Manchmal machte er auf mich den Eindruck, als wäre ihm das alles hier längst bekannt gewesen.«
    »Jetzt, Roderick.«
    Howard kam nicht mehr dazu – falls er sich überhaupt dazu fähig fühlte –, Redgrave zu antworten.
    Meine Stablampe traf seinen Kopf. Er röchelte und sank zu Boden.
    Redgrave stieß einen erstickten Schrei aus.
    Sein Lichtkegel ruckte in meine Richtung, doch als ich ihm den Kopf in die Magengrube rammte, flog die Lampe in hohem Bogen durch die Luft.
    Ihr Glas zerschellte inmitten der verwitterten Gebeine.
    »Ich bin heimgekehrt, Onkel Stephen!« schrie ich. »Ich bin heimgekehrt!«
    Nahebei krauchte Howard durch die Knochenberge, die im Schein meiner Stablampe leuchteten wie die Schätze einer versunkenen Kultur. Redgrave brabbelte irgend etwas vor sich hin. Wahrscheinlich verstand er jetzt, was sich ereignet hatte und was nun geschehen mußte.
    Er erkannte die gesamte Tragweite, aber er konnte sich gegen das Verhängnis, das langsam auf ihn zukroch und die Spinnenfinger nach seinem Leib ausstreckte, in keiner Weise wehren.
    »Du bist dem Ruf des Blutes gefolgt, Roderick«, sagte Onkel Stephen dicht an meinem Ohr. Seine Stimme klang tief und volltönend, sie dröhnte.
    »Nun handle. Sei kein Zauderer wie unsere Vettern, die

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