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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Jahrhunderten geschehen sein?« hörte ich Howard fragen. »Welche scheußlichen Riten hat man hier zelebriert? Man sehe sich nur die Knochen an …«
    Eine eiskalte Ruhe hatte Besitz von mir ergriffen. Mein Zittern war fort, mein Blick klar und ungetrübt. Voller Bewunderung genoß ich die klaren architektonischen Formen der Kathedrale, das Meisterwerk der Baukunst, errichtet von Menschen, deren Los es gewesen war, später durch die Herren von und zu Ashton Castle zerrissen und gefressen zu werden.
    Ruhten hier auch die Gebeine der Archäologenkollegen Professor Palétuviers?
    Ich hörte Howards Zähne aufeinanderschlagen, während wir uns dem Bauwerk näherten. Es gab kaum eine Stelle, an die man den Fuß setzen konnte, ohne auf morsches Gebein zu treten. Häßliche Knirsch- und Knackgeräusche ertönten.
    Wir fanden einen Fries, der sich einer Wand entlangzog, stellten uns davor auf, um uns die überraschend lebensechten Abbildungen anzusehen.
    Wir sahen schaudererregende Darstellungen des Treibens menschlicher und nichtmenschlicher Wesen in einer verrotteten Stadt des Mittelalters. Insektenhafte Kreaturen pirschten durch finstere Gänge an die Erdoberfläche und knüpften in menschlicher Verkleidung Verbindungen zu den Bewohnern der Oberwelt. Da stand ein Wesen an der Wiege eines Kindes und unterhielt sich heuchlerisch mit den Eltern. Das perfide Gesicht der Bestie war dem schlafenden Säugling zugewandt und konnte den Ausdruck äußerster Bosheit kaum verbergen. In der nächsten Szene zeigte es seine normale Gestalt, kauerte über dem Körper eines offenbar bewußtlosen Menschen und versenkte einen blauroten Saugrüssel in seine offene Brust. Durch die Schlafzimmertür waren die grausam zugerichteten Opfer eines Blutrausches zu sehen: Frau und das Kind.
    Dann sah man den Rückzug der Ungeheuer durch den düsteren Gang, der sie in die Tiefen der Erde zurückführte. Sie harten Kleinkinder und Säuglinge bei sich. Ferner entdeckten wir, während wir langsam an dem Fries längsschlurften, Bilder von Tänzen, Riten, Orgien und unbeschreiblichen Handlungen, in denen sich die Ungeheuer mit den Menschen paarten. Auf dem letzten Bildnis erblickten wir eine schleimige Kreatur, die ihre unförmige Leibesmasse durch ein kunstvoll gestaltetes Portal zwängte, hinter dem sich eine Reihe von Kindern furchtsam aneinanderklammerte.
    »Scheußlich«, raunte neben mir Howard. Dem Anschein nach wühlte der Anblick der Bilder ihn so stark auf, daß die Hand mit der Lampe nicht ruhighalten konnte.
    »Welche Ausgeburten der Hölle mögen das sein?« fragte Dr. Redgrave mit bebender Stimme. »Beachten Sie diese absonderlichen Insektoiden … Hat es sie wirklich gegeben? Oder sind sie dem Gehirn eines Irren entsprungen?«
    »Es hat sie gegeben …«, hörte ich mich flüstern. Ich hatte sie in meinen Träumen gesehen, aber ich scheute mich, es auszusprechen. Redgrave und Howard schienen meine halblauten Worten nicht gehört zu haben; sie gingen nicht darauf ein. »Sie stammten von einem unendlich fernen Gestirn …«
    Aber wenn sie wirklich in der fernen Vergangenheit auf der Erde gelebt hatten … Wo waren sie hin? Wenn die Abbildungen ihre Geschichte darstellten, mußte man daraus schlußfolgern, daß sie sich in die Tiefen der Erde zurückgezogen hatten, in noch gewaltigere Höhlen, und dort menschliche Kinder züchteten.
    Die Umgebung war gespenstisch, doch sie flößte mir jetzt eigenartigerweise keine Furcht mehr ein. Ich wunderte mich nicht einmal darüber, daß die Kathedrale hier war, die ich erst eine Nacht zuvor wieder im Traum gesehen hatte. Alles erschien mir plötzlich verständlich, als sei etwas in mir erwacht, das ich immer gewußt und bisher nur verdrängt hatte.
    Der vermummte Schweinehirt … Das Reptil in dem schmierigen Pfuhl … Die mörderischen Skorpione …
    »Furchtbar …« murmelte Howard. Der Strahl meiner Lampe streifte ihn, und ich sah, daß seine Stirn weiß war wie Kalk. Redgrave schwieg. Nur seine asthmatische Atmung pfiff.
    Vermutlich strahlten die Wände irgendein schwarzes Licht aus; denn in der gesamten Grotte, die sich in zahlreiche Nischen erweiterte, herrschte ein verwaschenes Halbdunkel, in dem man die Umrisse des monströsen Bauwerks gut zu erkennen vermochte.
    »Die Geschichten stimmen also doch«, erklang Dr. Redgraves dumpfe Stimme. »Hier haben die alten Ashtons vor vielen Jahrhunderten ihre abscheulichen Riten abgehalten. Ich bezweifle nicht, daß die Knochenberge Überreste ihrer

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