Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
oft sang- und klanglos über Nacht, so bindungslos, wie sie waren. Sie waren Schiffe ohne Hafen, Strohhalme im reißenden Strom des Lebens, waren wie Sterne ohne einen Himmel ...
»Ich — ich hab doch nischt«, begann Franz zu wimmern. Sie begannen damit, ihn zu schubsen und zu stoßen. Sie kicherten, hatten ihren Spaß, und einige Reisende lachten nun. Ja, sie, die nichts wussten, sie lachten.
Aber Franz Schulze wusste, dass es Ernst war. Blutiger Ernst. Nun drängten sie ihn ab. Sie schoben ihn langsam in die Richtung, in der die Fahrradaufbewahrung lag. Dort in dieser weiten Halle unter den Gleisen waren sie allein ...
»Ich hab nischt!«, schrie Franz nochmals und zerrte seine Taschen heraus. Schritt für Schritt wich er zurück. In seinen Augen flackerte nacktes Entsetzen. Er erinnerte sich an eine ganz kleine Zeitungsnotiz: Vor ein paar Wochen hatte man einen Mann in der Fahrradaufbewahrung gefunden, erschlagen von unbekannten Tätern.
Panische Angst machte sich in ihm breit. Und sie drängten und schubsten. Franz fühlte die Kälte hinter seinem Rücken, denn irgendwer hatte eine Tür aufgestoßen.
»Ihr kriegt ja wat!«, schrie Franz in seiner Verzweiflung.
»Wann?«
»Morgen - jawohl - morgen«, ächzte er und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Lügensau!«
»Nein, ich schwöre!«, gellte seine Stimme. »Ihr könnt euch dat ja abholen. >Paradiesgärtchen< heißt das Lokal ...«
Im selben Augenblick bereute er seine Torheit. Aber sie war aus der Angst geboren worden. Aus Todesangst.
Nun wichen die Gestalten zurück.
»Für jeden fünfhundert«, stieß Kalle hervor. »Wenigstens, haste gehört? Und wir kommen und holen uns dat Geld. Ist ja nicht mehr wie recht und billig, nachdem du so 'ne gute Partie mit die olle Paluschke gemacht hast. Meinste, wir wissen nicht, dat du wie die Made im Speck lebst...«
»Ich betrüge Frieda nicht!«, schrie Franz empört. »Ich habe sie bisher um keinen Cent betrogen ...«
»Denk dran«, sagte Messer-Otto. »Morgen um viere. Haste dat kapiert?«
»Ja - ja, ja, natürlich«, stammelte Franz, und er bemerkte erleichtert, dass sie zurücktraten. Und dann, als zwei Bahnhofspolizisten auftauchten, war der Spuk ganz plötzlich verschwunden.
»Haben Sie hier etwas verloren?«, wurde Franz gefragt. »Ich meine, suchen Sie etwas? Ihr Fahrrad vielleicht?«
»Nein, nein, schon gut«, murmelte Franz Schulze und ging mit raschen Schritten davon. Es half ihm nichts, er würde Frieda nun beichten müssen. Aber was war dann? Vielleicht warf sie ihn hinaus auf die Straße? Der Gedanke, wieder in das Elend zurückzumüssen, quälte Franz entsetzlich.
»Ja, wie siehst du denn aus?« Mit diesen entsetzt hervorgestoßenen Worten wurde Franz von seiner Frieda empfangen. Er war geisterhaft bleich und hatte noch immer einen eingetrockneten Blutfaden am Mundwinkel.
»Mir - mir ist schlecht geworden«, log er. »Ich bin hingefallen.«
»Menschenskind!«, rief Frieda besorgt. »Dann musste mal zum Doktor hingehen. Fällst mir schon die ganze Zeit auf mit deinem käsigen Gesicht. Biste vielleicht krank?«
»Nein, nein!«, wehrte er hastig ab. »Vielleicht gar nichts Ernstes. Ich hätte nicht zur Bank gehen sollen!«
Er hatte ein wahres Wort gesprochen. Mit Entsetzen dachte er an den folgenden Tag. Was sollte er nur tun? Es sah ganz so aus, als würde es kein Entrinnen für ihn geben. Vielleicht stürzte morgen das ganze Lügengebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammen, und dann würde es vorbei sein mit dem feinen Leben.
An diesem Abend wollte einfach keine Fröhlichkeit in ihm aufkommen. Sonst pflegte er immer mit Frieda zu tanzen. Er hatte es ja so gerne, wenn sie sich an ihn schmiegte. Das sollte vielleicht bald alles zu Ende sein. Dann war sie vielleicht wieder da, diese Einsamkeit und Verlassenheit, unter der er jahrelang gelitten hatte, ohne dass er sich dessen so richtig bewusst geworden war.
»Ich geh nach oben«, sagte er gegen zwei Uhr. »Bin so kaputt!«
»Krank biste!«, schimpfte Frieda. »Wenn's morgen nicht besser ist, schick ich nach die Doktor. Fühl mich noch zu jung, um Witwe zu sein.«
»Wir sind ja noch gar nicht verheiratet«, gab er ein bisschen gereizt zurück.
»An mir liegt dat ja wohl nicht«, meinte Frieda daraufhin. »Ich möchte nur mal wissen, wat du vonne Freiheit hast, wo du ja sowieso nie weggehst und man dich aus dem Haus prügeln muss? Aber nun geh mal schön schlafen. Morgen ist ja auch noch ein Tag!«
Als sie dann
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