Als das Handy eine Buschtrommel war
verwundern nicht allzu sehr. Anders verhält sich das bei den mitunter völlig unerwarteten Übereinstimmungen zwischen Sprachen auf weit entfernten Kontinenten.
Von Sprachen und Dialekten
Auf solche Ähnlichkeiten wurde vor über 200 Jahren der englische Jurist William Jones aufmerksam, als er nach Indien ging, um am Obersten Gericht in Kalkutta als Richter zu arbeiten. Die Leidenschaft dieses Mannes galt den Sprachen. Er beherrschte bereits mehr als 30 davon und so begann er auch bald, Sanskrit, die Sprache des altertümlichen Indiens, zu erlernen. Zu Jones’ Überraschung gestaltete sich das einfacher als gedacht: Die sanskritischen Worte »pítar« (Vater) oder »duvá« (zwei) etwa ähnelten unübersehbar den ihm bekannten lateinischen Vokabeln »pater« und »duo«. In einer berühmten Rede, die der Amateursprachforscher daraufhin 1786 vor der Asiatischen Gesellschaft in Kalkutta hielt, folgerte er mithin, dass Sanskrit, Latein und Griechisch eine »gemeinsame Wurzel« haben müssten. Damit begründete der britische Jurist die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft.
In dieser Disziplin wurden seit dieser Zeit bedeutende Fortschritte gemacht. Linguisten wissen heute, dass Sprachen sich ständig verändern. Das ist ein normaler kultureller Prozess. Wenn sich eine Sprechergemeinschaft teilt, wird sich auch ihre Sprache früher oder später auseinanderentwickeln. Bleiben die Menschen weiterhin in relativer räumlicher Nähe zueinander, etwa innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates, entstehen meist nur regionale Dialekte, also Varianten einer Standardsprache, deren Sprecher sich untereinander noch verstehen, wie etwa im Deutschen die Hessen und Sachsen. Bei einer größeren geographischen Trennung können aber auch völlig neue Sprachen entstehen. Letztlich ist die Grenze zwischen Sprache und Dialekt aber fließend. Sprecher des Oberbayrischen und Plattdeutschen verstehen sich zum Beispiel kaum noch, obwohl sie sich eigentlich »Dialekten« des Deutschen bedienen. Häufig ist die Einteilung somit eher eine Frage der Politik als der Wissenschaft. Die weltgrößte linguistische Datenbank »Ethnologue« listet aufgrund dieser Schwierigkeiten Sprachen und Dialekte unterschiedslos auf und kommt so auf die große Zahl von über 6500 Idiomen.
Ahnenreihe der Sprachen
Entscheidend für historische Sprachforscher ist die Tatsache, dass die durch Trennung entstandenen Sprachen oder Dialekte miteinander verwandt sind. Spalten sie sich weiter auf, bilden sie schließlich ganze Sprachfamilien, deren Genealogie in Form von Stammbäumen dargestellt werden kann. Wie die Idiome der Welt aber nun genau in Familien einzuordnen sind, darüber gibt es sehr geteilte Meinungen. Während »Ethnologue« 94 Familien weltweit auflistet, sprechen andere Experten von nur 20 bis 30 Sprachfamilien.
Noch umstrittener sind die Fragen, ob alle Sprachen einer Familie auf eine einzige Ursprache zurückgehen, ob diese Ursprache sich gar rekonstruieren lässt und wie die einzelnen Familien untereinander zusammenhängen. Leider gestaltet sich der Blick in die Zeit vor der babylonischen Sprachverwirrung außerordentlich schwierig. Schließlich gibt es von gesprochenen Sprachen keine Fossilien und keine archäologischen Funde. Als die ältesten überlieferten Schriftzeugnisse überhaupt gelten die der Sumerer aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. Die älteste bekannte indoeuropäische Sprache ist das ausgestorbene Hethitisch, das im 2. Jahrtausend v.Chr. im antiken Anatolien gesprochen wurde. Die meisten Sprachfamilien sind aber vermutlich viele tausende Jahre älter.
Die von dem britischen Juristen William Jones entdeckte indoeuropäische Sprachfamilie, die in Deutschland früher auch als »indogermanisch« bezeichnet wurde, ist die am besten untersuchte Sprachfamilie der Welt. Das liegt auch an ihrer Verbreitung: Ihr Sprachraum erstreckt sich über ein großes geographisches Gebiet von Island bis nach Indien und in den Iran. Die heute existierenden 144 indoeuropäischen Sprachen – mit Dialekten sind es 430 – werden von 2,5 Mrd. Menschen, also fast der Hälfte der Weltbevölkerung, gesprochen.
Europas Babel
Am Beispiel der indoeuropäischen Sprachfamilie zeigt sich deshalb auch besonders anschaulich die Arbeit der Sprachgenealogen. Durch detaillierte Vergleiche von Wörtern, Satzbau und Grammatik haben die Forscher die indoeuropäischen Idiome in einen Stammbaum mit mehreren Ästen, den Unterfamilien, eingetragen. Zu den Unterfamilien, die
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