Als das Handy eine Buschtrommel war
Kultur, schreien erst einmal, wenn sie auf die Welt kommen. Das ist die einzige Art, wie sie sich lautlich äußern können. Obwohl Schreie zumindest in den ersten Monaten nicht bewusst Information übermitteln, teilen sie doch die Befindlichkeit des Kindes mit. Auf diese Schreie reagieren die Bezugspersonen und dabei spielt Sprache wiederum eine wichtige Rolle. Das Kind wird mit sanften Worten beruhigt, gewickelt oder in den Schlaf gesungen. Kinder erfahren so schon ganz früh, dass lautliche Äußerungen eine Reaktion bei anderen Menschen hervorrufen. Das lautliche Repertoire des Säuglings differenziert sich dann im Laufe der Monate. So um den sechsten Lebensmonat beginnen Babys zu brabbeln und Gurrlaute zu produzieren. Aber auch diese Laute haben noch nichts mit Sprache im eigentlichen Sinne gemein, denn es fehlt ihnen eine konstante Bedeutung, auch wenn sie von den Eltern oft eifrig interpretiert und kommentiert werden.
Die Entwicklung des Sprachtrakts
In dieser Brabbelphase werden nun systematisch Konsonanten mit Vokalen kombiniert und genau zu dieser Zeit entwickelt sich auch der Vokaltrakt des Säuglings so, dass er all die verschiedenen Laute der menschlichen Sprache auch produzieren kann. Bis dahin gleicht der Vokaltrakt eher dem eines Schimpansen als dem eines erwachsenen Menschen. Außerdem sind zu diesem Zeitpunkt die Muskeln der Zunge noch nicht vollständig entwickelt, der Säugling atmet noch vorwiegend durch die Nase. Um sprachliche Laute zu produzieren, muss die Zunge sehr flexibel sein, präzise koordiniert werden und der Sprecher muss durch den Mund ausatmen. Die Laute im ersten Lebenshalbjahr sind also stark physiologisch beschränkt.
Für den Aufbau eines eigenen Wortschatzes müssen die in der Umgebungssprache vorhandenen Laute und Lautkombinationen präzise imitiert werden. Zwischen dem siebten und zehnten Lebensmonat beginnen Babys Silben zu wiederholen wie »bababa«, »gagaga« oder »tatata«, die sich dann teilweise in der Babysprache wiederfinden. Kinder können in dieser Phase noch die Laute aller menschlichen Sprachen produzieren, auch wenn sich das Brabbeln bereits stark an der Muttersprache orientiert. Bis sie wirklich alle Laute der Muttersprache perfekt imitieren können, vergehen mehrere Jahre. Meist um das fünfte Lebensjahr herum verfügen Kinder über das gleiche Laut-inventar wie Erwachsene, was aber noch nicht bedeutet, dass sie alle Laute in allen Wörtern korrekt aussprechen können. Sogenannte Konsonantencluster wie das »spr-« in »springen« können ihnen noch bis zum siebten Lebensjahr Schwierigkeiten bereiten.
Das erste Wort
Der Übergang von der Brabbelphase am Ende des ersten Lebensjahres zu den ersten Wörtern ist meist fließend. Dabei findet eine Verfestigung der Bedeutung einer Lautsequenz statt. So wird etwa »Brmbrm« zum Auto oder »Wauwau« zum Hund. Diese ersten Wörter enthalten oft Elemente aus einer speziell an das Kind gerichteten Sprache oder lautliche Modifizierungen von Wörtern, manchmal aber sind es auch reine Fantasiewörter. Oft werden diese Wörter auch nicht in derselben Weise verwendet werden wie in der Erwachsenensprache. Beispielsweise können alle Tiere mit vier Beinen als »Hund« oder alle Dinge mit vier Rädern als »Auto« bezeichnet werden. Schon ein halbes Jahr später beherrscht das Kind um die 50 Wörter. Dann setzt bei einigen Kindern ein sprunghaftes Ansteigen des Wortschatzes ein, während er sich bei anderen Schritt für Schritt erweitert. Dieses Imitieren von Lauten funktioniert allerdings nur, wenn sie zuvor in der Umgebungssprache erst einmal segmentiert und unterschieden werden.
Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sprachliche Äußerungen für sie erst einmal ein Schwall von Lauten ohne Sinn und Bedeutung. Trotzdem bevorzugen sie schon in den ersten Lebenstagen die Stimme ihrer Mutter gegenüber anderen Stimmen. Bereits vier Tage nach der Geburt können sie ihre Muttersprache anhand von Rhythmik, Intonation und Betonung von anderen Sprachen unterscheiden. Babys können also sehr früh lautliche Muster erkennen und unterscheiden. Diese Fähigkeit bezieht sich auch auf die Unterscheidung von Kontrasten aller Laute, die es in Sprachen gibt. Bis zum Alter von etwa zehn Monaten können Kinder all diese lautlichen Kontraste unterscheiden. Diese Fähigkeit nimmt allerdings im Alter von ungefähr einem Jahr ab, wenn das Kind beginnt, die eigene Sprache systematisch zu erlernen und sich deshalb auf die relevanten Laute der
Weitere Kostenlose Bücher