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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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unberührter Natur mit grünen Lichtungen, wohin sich kaum Touristen verirrten, und einem zauberhaften Licht, das Jacqueline faszinierte. Schließlich verstummte Nane, und Jacqueline schaute auf die Schatten, die über den mit Kiefernnadeln übersäten Sand wanderten.
    »Das Leben mit Marcel war kein Leben mehr. Es kam mir vor, als wäre ich schon tot, ohne es zu wissen.«
    Nane verzog keine Miene. Die beiden Cousinen spazierten durch den Kiefernwald. Vielleicht ermutigt durch die Illusion, Nane würde gar nicht zuhören, fuhr Jacqueline fort.
    »An meinem Geburtstag überraschten uns Freunde mit einem Kuchen mit Kerzen. Ich hatte seit einer Ewigkeit keine Kerzen mehr ausgeblasen, denn Marcel und ich feierten seit langem nichts mehr. Auf einmal wusste ich nicht mehr, wie alt ich war. Ich hätte fünfzig oder zwanzig sein können. Ich war vollkommen durcheinander. Es dauerte nur eine Sekunde, wahrscheinlich noch nicht einmal, doch als ich aus meiner Benommenheit erwachte, verspürte ich den Wunsch ... zu gehen. Denn in dem Augenblick hatte ich das Gefühl, das falsche Leben gelebt zu haben.«
    Nane warf ihr ein freundliches Lächeln zu. Jacqueline sah verlegen aus, als wollte sie sich entschuldigen, darüber gesprochen zu haben. Sie hörte das Rauschen der Wellen und des Windes, atmete den Duft des Sommers ein und fuhr fort, denn nun war es nicht mehr so schwer. Sie sprach über den Alltag mit Marcel, ihre Liebe, die längst erloschen war, die schlaflosen Nächte, den Staub auf den alten Bilderrahmen. Jacqueline beschrieb nur ihr alltägliches Leben in letzter Zeit und verlor kein Wort über ältere Geschichten. Nane schwieg, während ihre Cousine die Luft auf dieser Lichtung einatmete, die ihr das Gefühl gab, ihr Geheimnis zu bewahren. Nach knapp zehn Minuten verstummte Jacqueline. Anschließend fuhren sie nach Hause. Jacqueline aß kaum etwas und zog sich früh ins Gartenhaus zurück. Die Schlaflosigkeit hielt sie lange wach. Am nächsten Tag fuhr Nane mit ihr zu der alten Burg, die die Geheimnisse von sechshundert Jahren hütete. Auf eines mehr kam es also wirklich nicht an.

34
    Das gelbe Postauto hielt vor dem kleinen Gartentor an. Anstatt die Post in den Briefkasten zu werfen, durchquerte der Briefträger den Garten und klopfte an die Haustür. Er hatte ein Paket in der Hand. Arminda wechselte ein paar Worte mit ihm, und wir sahen, dass sie auf das Gartenhaus zeigte. Der Briefträger schlug also diese Richtung ein und klopfte bei Jacqueline. Ehe unsere Heldin öffnete, wussten wir schon, woher das Paket kam. Einige Insekten, darunter auch Bienen, die sich niemals irren, hatten herausgefunden, dass das Paket aus Afrika stammte. Viele von uns kannten diesen Duft nach Erde, Feuer und Vieh gut. Jacqueline bedankte sich bei dem Briefträger, schloss die Tür und zog sich wieder in das kühle Gartenhaus zurück. Doch vorher warf sie noch einen Blick auf das Küchenfenster, wo sie Nane stehen sah, die Vorbereitungen für das Abendessen traf.
    Draußen war es zu warm, und daher hielten sich am Nachmittag alle im Schatten auf. Sie aßen früh zu Abend. Als Jacqueline wieder in ihr Gartenhaus gehen wollte, sagte Nane zu ihr: »Du willst mich doch nicht ohne meinen Spaziergang schlafen gehen lassen. Komm, raff dich auf. Ich spendier dir ein Dessert in der Stadt. Isst du gerne Eis?«
    »Ja, aber ich lade dich ein.«
    »Gut, dann nehme ich drei Kugeln.«
    Jacqueline holte ihre Handtasche und stieg zu Nane in den R5. Ich wollte den Garten und die Brennnesseln nicht verlassen, doch der Admiral, der hinter ihnen herflog, versprach mir, mir alles zu erzählen.
    Sie gingen in eine Crêperie in Port de la Meule und bestellten sich einen Schokoladenbecher. Der Horizont war in rotes Licht getaucht, als die Sonne langsam im grauen Meer versank. Sie saßen an einem Tisch, der etwas abseits hinter einer Glyzinie stand, durch die Zephyr strich, um den Duft zu verteilen.
    Die beiden Frauen löffelten schweigend ihr Eis. Jacqueline beugte sich über ihren Eisbecher, den sie kaum bewältigte.
    »Du fragst dich sicher, was für ein Paket ich heute Morgen bekommen habe«, sagte sie leise.
    »Glaub mir, von allen Fragen, die ich mir in Bezug auf dich stelle«, erwiderte Nane, »ist die nach diesem Paket für mich wirklich die am wenigsten interessante.«
    Jacqueline lächelte.
    »Hast du eigentlich deine Telefonrechnung bekommen?«, fragte sie nach ein paar Sekunden in einem bemüht lockeren Ton. »Sag mir, wie viel Geld ich dir für das

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