Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
Stille in dem Gartenhaus. Schließlich stand Nane mühsam auf und seufzte.
»Na ja, du bist alt genug, um zu wissen, wohin du willst. Aber es wäre schade, wenn du gehst. Wie ich schon sagte, du bist hier genau richtig.«
Mit diesen Worten legte sie die nun grünlich schimmernden Scherben der Schäferin behutsam auf die Frisierkommode und schlurfte langsam davon.
Ein paar Stunden später lag der halb gepackte Koffer noch immer auf dem Bett des Gartenhauses. Jacqueline stieg in Nanes alten, zerbeulten R5. Arminda, die in der Küche stand, sah die beiden alten Damen in einer Staubwolke in Richtung Meer davonfahren.
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Wir haben Neuigkeiten aus Benin erfahren. Allerdings wissen wir nicht, was wir davon zu halten haben, denn die empfangenen Informationen waren unvollständig. Sie wurden uns von einem Segelfalter (Iphiclides podalirius) auf der Durchreise zugetragen, der, anders als es seine weißen, schwarz gestreiften Flügel vielleicht vermuten ließen, nicht aus Afrika stammt. Auf seinen Reisen hatte er eine Geschichte gehört, die Jacqueline de Boislahire betraf, aber zahlreiche Lücken aufwies. Er erzählte uns alles mit einem Eifer und einer Begeisterung, die uns berührte. Die Segelfalter aus der Familie der Ritterfalter werden heutzutage immer seltener. Jeder kann daher sicherlich verstehen, dass wir uns überschwänglich für die Informationen bedankten, denen wir unter anderen Umständen wahrscheinlich gar keine Beachtung geschenkt hätten.
Nach seinen Worten hatte Virginie Perpétue Glele vor ein paar Tagen einen Besuch abgestattet. Es war nach Schulschluss, und die Rektorin machte sich in ihrem hübschen Haus gerade Crêpes mit Sardinen. Die junge Fraukam mit einem Paket zu ihr (von dessen Inhalt wir keine Kenntnis haben). Wir wissen, dass Perpétue ihr Kaffee und Plätzchen anbot, und als die beiden Frauen Platz nahmen, begann die große, mit blau-goldenem Satinstoff bezogene Couch zu knarren. Die Couch war mit einer durchsichtigen Schutzhülle aus Plastik bedeckt, und Perpétues dickes Gesäß und Virginies Nervosität führten dazu, dass sie ununterbrochen knisterte. Wir erfuhren auch, dass der Wind aus Südost wehte, dass die Nachbarn einen Hammelspießbraten zubereiteten und dass Virginie ohne ihr Paket das Haus verließ. Über das Gespräch der beiden Frauen erfuhren wir fast nichts.
Der Segelfalter, der unsere Enttäuschung vielleicht bemerkte, strengte sich furchtbar an, um sich an die kleinsten Kleinigkeiten zu erinnern. Die ernste Miene, mit der Perpétue Virginie zuhörte. Der Duft nach Erde, den die Finger der jungen Frau verströmten. Die Stille im gesamten Haus (nicht einmal die Couch knarrte mehr), als Virginie verstummte und Perpétue nachzudenken schien. Und als die beiden Frauen sich verabschiedeten, Virginies optimistisch wirkendes Lächeln.
Der Segelfalter gestand uns, dass die Informationen nicht mehr ganz aktuell waren. Wir bedankten uns für seine Anstrengungen und versicherten ihm, dass sein Bericht sehr nützlich für uns sei. Und nachdem er im Gleitflug, der uns immer stark beeindruckte, davongeflogen war, verbrachten wir die Zeit bis zu Jacquelines Rückkehr mit Mutmaßungen und dem Sammeln von Nektar.
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Wir wussten nicht, ob der Aufenthalt an der frischen Luft zu Nanes Strategie gehörte, um ihrer Cousine zu helfen, ihr Gleichgewicht zurückzuerlangen. Jedenfalls verordnete sie Jacqueline genau diese Therapie. Nachdem die Amerikaner abgereist waren, machte Nane zwei Wochen mit Jacqueline Ausflüge über die Ile d’Yeu, die Insula Oya, von der Jacqueline fast noch nichts gesehen hatte. Der Leuchtturm, die Kirche von Saint-Sauveur, der Pierre Tremblante, das Fort des Marschalls Pétain, die Pointe des Corbeaux und ein oder zwei Museen. Entweder zu Fuß oder mit dem Wagen erkundeten sie zuerst die Orte, die Touristen gerne aufsuchten. Nane sprach ununterbrochen, und Jacqueline warf hier und da etwas ein, doch immer mit dieser ein wenig abwesenden Miene. Sie folgte Nane ohne jede Begeisterung und Überzeugung, blieb aber stets höflich und beklagte sich nie. Obwohl die Insel winzig war, fand Nane jeden Tag etwas Neues, was sie Jacqueline zeigen wollte. Und ihre stumme Cousine sah an jedem Ort, den sie aufsuchten, die Scherben derSchäferin. Wann würde Nane sich entschließen, ihr zu verraten, welche geheimen Schätze der verschlossene Schrank barg?
Eines Tages führte sie ihr Spaziergang in den angenehm kühlen Kiefernwald neben der Plage des Ovaires. Eine Oase
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