Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
Jolie Fleur genannt?«, fragte Jacqueline Nane, als sie auf dem Sandweg um die Ecke bogen.
»Une jolie fleur dans une peau de vache ...« , sang Nane. »Du kennst doch das Chanson von Brassens, nicht wahr?«
»Ja sicher.«
»Da heißt es an einer Stelle: Ein kleines Biest verkleidet als schöne Blume ... Aleksander meinte, das würde zu mir passen. Er hatte wie immer recht.«
»Stimmt. Raue Schale – weicher Kern«, murmelte Jacqueline. Ihr entging nicht, dass Nane auf dem Rückweg noch schlechter und schneller fuhr als gewöhnlich. Und jetzt sah sie es ganz deutlich. Die rechte Seite ihres Gesichtes schien auf die linke Seite wütend zu sein.
36
Ich kam später im Garten an. Mit Nanes Höllenmaschine konnte ich nicht mithalten. Außerdem traf ich Apeliotes unterwegs. Ich erfuhr von ihm, dass er vor ein paar Tagen wieder in Pauls Observatorium gewesen war. Doch er hatte nur einen leeren Dachboden vorgefunden. Die Computer und die Teleskope, die Handbücher und die Instrumente, die Ausdrucke und die Fachzeitschriften waren allesamt verschwunden. Keine Spur von den Fragen nach dem unendlichen Licht und den Sternen. Unauffindbar die Supernova. Apeliotes entdeckte in dem leeren Raum nichts als zwei mit Papier gefüllte Müllsäcke, einen Bürostuhl und Staub.
Als ich mich traute zu fragen, wohin Paul gegangen war, ergriff Apeliotes die Flucht. Mittlerweile hätte ich es wissen müssen. Man darf den Winden niemals Fragen stellen.
37
Matthis fand seine Mutter manchmal komisch. Wochenlang vertrat sie die Meinung, es sei ein Segen, dass der PC kaputt war, und gut für ihn, wenn er mal auf Computerspiele verzichten müsse. Doch seit der Abreise der amerikanischen Freunde machte sie richtig Stress und meinte, das Gerät müsse unbedingt repariert werden. Offenbar hatte sie es eilig, ihre Mails zu checken. Ein Freund aus Port-Joinville kam vorbei, und jetzt funktionierte der Computer wieder einwandfrei. Trotzdem besserte sich Armindas Stimmung nicht. Matthis hockte unter dem Fenster des Arbeitszimmers und sammelte kleine Schnecken, die auf der Mauer saßen und vertrockneten. Er vermutete, dass seine Mutter die E-Mail, auf die sie insgeheim hoffte, nicht bekommen hatte. Dafür konnte der Computer allerdings nichts. Und mit den SMS war es das Gleiche. Seit ein paar Tagen spähte sie hundertmal am Tag auf ihr Handy.
Arminda kaute gerade an den Fingernägeln und schaute in ihren leeren E-Mail-Account, als sie Schritte inder Eingangshalle hörte. Nane und Jacqueline kehrten von ihrem Strandspaziergang zurück. Die junge Portugiesin warf einen letzten prüfenden Blick auf den Monitor und klickte zum x-ten Mal auf das Symbol »Aktualisieren«. Keine neue Nachricht. Ein paar Minuten später rief jemand: »Hallo, Madame Verbowitz, hier ist Bernadette Tricot. Hallo!«
Arminda verdrehte die Augen zum Himmel und wartete darauf, dass Nane ihrer Nachbarin die Tür aufmachte – vergebens. Schließlich stand sie verärgert auf und öffnete Madame Tricot die Tür. Die Nachbarin war geschminkt und sah schick aus in ihrem apfelgrünen, gehäkelten Pullover.
»Ah, Arminda. Das trifft sich gut. Mit Ihnen wollte ich auch sprechen.«
»Guten Tag, Madame Tricot. Wie geht es Ihnen?«
»Es geht so. Ich will Sie nicht lange stören.« Sie zeigte Arminda einen Artikel auf einer zerknitterten, schmutzigen Seite der »Nouvelle République«. »Ist das vielleicht der Mann von Madame Verbowitz’ Cousine? Hm? Marcel Le Gall?«
Arminda betrachtete das Foto in der Zeitung. Es zeigte einen Mann in den Siebzigern, der mit einem großen Rucksack und einer Art Schlauch auf dem Oberkörper mit leicht verkrampfter Miene neben einem Schild mit der Aufschrift »Mont Gerbier de Jonc« posierte.
»Nane, Nane!«, rief sie.
»Aus Erquy? Hm?«, fragte Madame Tricot. »Er war doch früher beim Militär, oder?«
»Nane! Nane!«
»Als ich das gesehen habe, habe ich gleich gesagt, das ist der Mann von Madame Verbowitz’ Cousine«, fuhr Madame Tricot fort. »Monsieur Bernardeau hat mir erzählt, dass sie Le Gall heißt. Als ich dann Erquy gelesen habe, habe ich zu meinem Mann gesagt, na so was, wenn das nicht der Mann von Madame Verbowitz’ Cousine ist, und er hat gesagt, wenn du recht hast, wird er das wohl sein. Le Gall ist in der Bretagne ein verbreiteter Name, aber aus Erquy und dann auch noch Soldat ... Also, mein Mann meinte, das kann niemand anders als der Mann von der Cousine sein. Ich hab das erst heute Morgen gelesen und bin dann sofort
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