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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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doch Marcel wollte schwimmen, weil er es so beschlossen hatte, und ja, er scheute sich nicht, auch von Schicksal zu sprechen.
    Ein Drachen fiel genau neben ihm auf die Erde, und die Leine wickelte sich schnell um den Rucksack. Am Ende der Leine stand ein junger Mann von etwa zwanzig Jahren mit einem Ring im Ohr und einem Tattoo. Er begann ein Gespräch mit dem alten Mann, den er für einen Rucksacktouristen hielt. Marcel, der seit zwei Wochen mit keinem Menschen gesprochen hatte, spürte, wie in ihm der Wunsch nach Unterhaltung erwachte. Sie plauderten, und er erzählte dem jungen Mann von seinem Plan, zur Ile d’Yeu zu schwimmen.
    »Ich würde bis zum 22. August warten«, meinte der junge Mann.
    »Warum?«, fragte Marcel.
    »Aus zwei Gründen. Erstens, weil Sie dann genug Zeit haben, um sich klarzumachen, dass Ihr Plan der reinste Selbstmord ist.«
    »Das lass mal meine Sorge sein. Ich komme schon zurecht. Und der zweite Grund?«
    »Wenn Sie verrückt genug sind, es dennoch zu tun, sind es an diesem Tag nicht neunzehn, sondern nur sechzehn Kilometer. Die drei Kilometer können Sie dann laufen. Haha.«

39
    Nach der Abreise der Amerikaner hatten sie keine Gäste mehr in der Villa Jolie Fleur empfangen. Arminda wirkte an diesem Abend irgendwie zerstreut, und wenn sie sich unbeobachtet glaubte, lächelte sie verhalten. Sie kündigte an, sie wolle heute früh zu Bett zu gehen. Es war ein schöner Tag gewesen, und es versprach auch ein schöner Abend zu werden. Auch wenn man die untergehende Sonne von der Terrasse aus nicht sehen konnte, tauchte sie den Garten in ein goldenes Licht, das allmählich ins Blaue überging. Nane fragte Jacqueline, ob sie ihr nach dem Abendessen noch ein paar Minuten Gesellschaft leisten würde. Ihre Cousine willigte ein. Nun saßen sie beide gemütlich auf den Polstern der Gartenstühle und schauten in den Garten, der sich zur Ruhe begab. Jacqueline genehmigte sich in der Abenddämmerung einen Kräutertee und suchte das Gespräch mit Nane. Man hörte den Ruf eines Kuckucks, und dann folgte Stille.
    »Weißt du«, begann Jacqueline. »Ich wäre so gerne zudeiner Hochzeit gekommen, aber Mutter hatte es mir verboten.«
    »Ich weiß. Ich bin dir nicht böse.«
    »Deine Hochzeitsfeier war bestimmt sehr schön. Du sahst so glücklich aus auf den Fotos.«
    Nane schwieg, und Jacqueline musterte ihre Cousine, auf deren Gesicht sich ein verhaltenes Lächeln abzeichnete. Wir aber sahen die andere Seite ihres Gesichts. Sie sah finster aus, oder waren das nur die Schatten des Abends?
    »Mutter hat es nie verwunden, dass du weggegangen bist. Du warst wie eine Tochter für sie. Und später wollte sie dann nicht, dass zu meiner Hochzeit irgendjemand eingeladen wird. Aber es war dennoch eine schöne Hochzeit. Marcel sah elegant aus, und ich trug das Hochzeitskleid meiner Mutter aus feiner Spitze ...«
    Jacqueline versagte die Stimme. In ihrem Innern hatte sich so viel Ungesagtes aufgestaut, dass sie nun, nachdem sie begonnen hatte, darüber zu sprechen, vollkommen verwirrt war. Nane musterte sie wieder mit ihrem schiefen Gesicht und legte eine Hand auf den rechten Oberschenkel.
    »Komm mit ins Atelier. Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte sie zu ihrer Cousine, als die Nacht hereinbrach.
    Jacquelines Herz begann zu klopfen.
    Nane musste diesen nächtlichen Besuch im Atelier schon seit einiger Zeit geplant haben, denn sie zog den Schrankschlüssel aus der Jackentasche. Als sie sich einen Weg durch das vollgestellte Atelier bahnte, schimpfte sie, dort müsse endlich mal aufgeräumt werden, weil man so nichts mehr wiederfand. Doch den Weg zum Schrankkannte sie genau. Ehe Nane die Türen öffnete, ergriff Jacqueline ihren Arm.
    »Nane ... Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, hier herumzuwühlen. Ich hatte kein Recht dazu. Ich möchte dich um Verzeihung bitten.«
    In dem schmutzigen Licht der Deckenleuchte wechselten die beiden Frauen einen Blick.
    »Ich habe dir gesagt, dass man die alten Bettlaken nicht in den Schränken vermodern lassen darf«, erwiderte Nane schließlich.
    Jacqueline quälte das schlechte Gewissen, weil sie versucht hatte, das Schloss zu knacken. Es war egal, ob alte Wäsche oder Schätze darin lagen. Es stand ihr nicht zu, sich auf diese Weise in Nanes Leben einzumischen. Sie wollte ihrer Cousine gerade vorschlagen, ins Haus zurückzukehren, als die Tür sich öffnete. Jacqueline stockte der Atem. Ein paar Sekunden lang packte sie blankes Entsetzen. In einem der dunklen Fächer

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