Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
Vom Netzwerk:
diesem Spitzelsystem derartiges öffentlich entgegen zu halten, keine Angst mehr zu zeigen. Sowas fürchten die Bonzen am meisten.
    Danach gab es noch zwei kürzere Ansprachen, einmal von noch einem Bahner und eine andere von einem Zivilisten. Auch diese beiden forderten den Sturz des „Satrapen-Regimes“, wie sie es nannten.
    „Die sind ja verrückt“, sagte Hans-Peter, „die werden schon heute abgeholt, darauf könnte ich wetten.“
    „Aber Angst haben die nicht“, warf Sebastian ein.
    „Der Beifall von den Gaffern hier ist bald vergessen“, betonte Hans-Peter. „Für ihre großen Worte sitzen die garantiert jahrelang hinter Gittern. Und was wird damit erreicht? Nichts!“
    In diesem Moment umkurvten die ersten Russen-LKW voller Rotarmisten aus Richtung Calau kommend die Demonstranten und riegelten sofort den Platz und alle Zugangsstraßen ab.
    „Da siehst du’s“, und Hans-Peter schüttelte den Kopf, „was nun? Die Regierung stürzen?“
    Die Redner, hatte Sebastian beobachtet, waren in dem Moment als die Russen erschienen durch die Tür im Bahnhofsgebäude verschwunden.
    „Na bitte“, kommentierte Hans-Peter diesen Vorgang, „was bleibt ist Flucht nach hinten über die Gleise.“
    „Ja, aber vor den Russen“, sagte Sebastian.
    „Russen hin, Russen her, wenn die nicht gleich nach West-Berlin durchkommen, sind sie schon heute geliefert. So ein Leichtsinn, hier lauthals das große Wort zu führen“, erregte Hans-Peter sich. „Die Russen waren doch zu erwarten.“
    Als die beiden sich aus dem Gewühl etwas herausgekämpft hatten, bauten sich ganz plötzlich zwei Zivilisten vor ihnen auf. Als sie vorbeigehen wollten, zückte jeder von denen einen Ausweis. „Ministerium für Staatssicherheit“, sagte der eine. „Ihre Personalausweise bitte.“
    „Wo kommen Sie her?“ fragte der andere.
    „Großräschen“, sagte Sebastian, „wir wollten hier eigentlich Paddelboot fahren.“ Wie kommen die gerade auf uns, schoß es ihm durch den Kopf. Sind wir so auffällig? Haben die uns womöglich zwischen den Bahnern gesehen? Wir hätten nicht da ganz vorne mitlaufen dürfen. Da bekamen sie aber auch schon ihre Ausweise zurück und die beiden Stasis verschwanden in der Menge.
    „Was suchen die hier eigentlich“, fragte Sebastian erleichtert.
    Hans-Peter zuckte mit den Schultern und grinste. „Vielleicht uns“, sagte er. „Vielleicht auch welche aus West-Berlin.“
    „Meinst du denn wirklich die denken, daß das alles hier angezettelt worden ist? So dämlich kann doch niemand sein.“
    „Offensichtlich doch“, konstatierte Hans-Peter mit Blick in die Menge.
    „Da ganz vorne mitzulaufen war aber auch bescheuert von uns“, sagte Sebastian. „Davon dürfen wir Pi-pa-po auf keinen Fall erzählen.“
    Die beiden zogen sich schließlich weiter aus dem Gedränge zurück, an der Absperrung der Russen vorbei, die sie durchließen, ungerührt dastanden und stur geradeaus blickten. Ein Stückchen weiter auf der Straße Richtung Calau, auf der sie vor fast drei Stunden an der Spitze des Protestzuges mit den Bahnern losgegangen waren, konnten sie im Schatten eines Straßenbaums einen zivilen LKW erkennen, um den sich Leute versammelten.
    Da sie sich schon Gedanken gemacht hatten, wie sie nach Hause kommen sollten, hofften sie auf irgendeine Mitfahrgelegenheit. Ja, die fahren nach Altdöbern, erfuhren sie von einem jungen Mann, der ihnen entgegen kam. Und das Gute daran, der LKW hatte eine völlig freie Ladefläche. Von Altdöbern nach Großräschen konnten sie notfalls laufen.
    Sebastian sprang aufs Trittbrett des Lasters und fragte nach dem Ziel des Fahrers.
    Er müsse nach Meuro, sagte der.
    „Aber dann fahren sie doch über Senftenberg?“
    „Natürlich.“
    „Und über Großräschen?“
    „Ja sicher.“
    „Könnten wir mitfahren?“ Dazu wies er auf Hans-Peter. „Es fährt ja kein Zug mehr“, versuchte er seine Frage zu erklären.
    „Da müßt ihr sehen, wie ihr auf der Ladefläche zurecht kommt.“
    „Wann fahren Sie?“
    „Na, jetzt gleich.“
    Sebastian und Hans-Peter enterten mit anderen, einigen Pärchen darunter, die ein Spreewaldausflug unverhofft in diesen Protestaufmarsch geführt hatte, die Ladefläche des Lasters. Sicher hätten sie von Berlin gehört, von Aufmärschen dort erzählten einige, aber doch nicht geglaubt, daß sich das bis hier in den Spreewald auswirken würde.
    „Ich find’s richtig“, sagte Sebastian, „solche Proteste sind sicher sehr nötig.“
    „Ja,

Weitere Kostenlose Bücher