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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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natürlich“, stimmten die Mitfahrer zu.
    Die Ladefläche war offen, so daß, als der Wagen anfuhr, im wirbelnden Fahrtwind schon bald keiner mehr sein eigenes Wort verstehen konnte. Der Laster brachte Sebastian und Hans-Peter schließlich bis direkt vor ihre Haustüren.
    „Wir versuchen so schnell wie möglich wieder nach Berlin zu kommen“, einigten sie sich.
    Im RIAS hörte Sebastian am selben Tag von Russenpanzern, die mit Pflastersteinen beworfen worden waren, von Schüssen, von Toten und Verletzten, die von Demonstranten nach West-Berlin gebracht worden waren. Von Riesenprotestaufmärschen war dort die Rede, von Kiosken, die in Flammen standen … Das müssen wir sehen, sagte Sebastian sich. Die Menschen dort ohne Angst und Russen, die um sich ballern, Bonzen in Panik... Beim Hören dieser Meldungen spürte er manchmal den Herzschlag bis in den Hals. Die Proteste weiteten sich auf alle größeren Städte und Industriegebiete aus.

    43.

    Als die Freunde sich im Bahnhof Großräschen Fahrkarten nach Berlin kaufen wollten, wurden sie zu ihrer Verblüffung nach einer Genehmigung gefragt.
    „Wieso Genehmigung, das hat’s doch noch nie gegeben“, wunderte Hans-Peter sich.
    „Na, Sie wissen doch, was in Berlin los ist. Nur mit Dringlichkeitsausweis“, erklärte die Frau hinter’m Schalterfenster.
    Sebastian schien es angeraten nicht weiter zu fragen. „Ach so, einen Nachweis“, sagte er.
    „Wenn jemand dort dienstlich was zu erledigen hat“, erläuterte die Frau, „oder auch zu einer Beerdigung naher Verwandter“, setzte sie hinzu, als Sebastian nachdenklich zögerte.
    „Ja, ja, natürlich, ich verstehe schon“, erklärte er und wandte sich zum Gehen, Hans-Peter folgte ihm. „Ohne Dringlichkeitsnachweis“, sagte Sebastian kopfschüttelnd draußen auf der Straße, „machst du dich schon verdächtig, wenn du nur nach Berlin fahren willst. Wo leben wir denn hier? Und was machen wir jetzt, wo kriegen wir so einen Nachweis her?“
    „Kopfbogen der Bauunion“, erklärte er nach einigem Nachdenken. „Mein Vater hat aber leider keine zu Hause.“
    „Aber meiner“, sagte Hans-Peter erfreut.
    „Gut, dann hab’ ich’s.“ Sebastian schlug dem Freund auf die Schulter. „Wir stellen uns einfach selber so eine Bescheinigung aus.“
    „Klingt gut, aber was wollen wir uns selber bescheinigen?“
    „Ganz einfach“, Sebastian grinste, „die Bauunion schickt uns beide zur Arbeiter- und Bauernfakultät nach Potsdam. Wir sollen uns da vorstellen. Dazu müssen wir nämlich nach Berlin, anders geht’s ja nicht. Und von dort mit der S-Bahn durch West-Berlin nach Potsdam. Das ist der normale und einzige Weg.“
    „Sehr schön, aber wir haben keine Bauunion-Stempel und Stempel sind wichtig, du kennst das doch“, gab Hans-Peter zu bedenken.
    „Quatsch“, verwarf Sebastian den Einwand und beide blieben dabei auf dem Marktplatz stehen. „Wenn wir einen Kopfbogen haben, brauchen wir keine Stempel mehr, aber echt aussehende Unterschriften.“
    „Na, die kann ich besorgen“, Hans-Peter lachte. „Sogar von der Personalabteilung. Sowas liegt bei meinem Alten auf dem Schreibtisch rum – und wenn ich mich richtig erinnere“, er griff sich an die Stirn, „auch ohne Stempel. Du kannst also recht haben.“
    „Na bitte, Unterschriften reichen. Mit Kopfbogen ist das schon ein Dokument. Wir schreiben das schön sauber mit der Maschine auf so einen Bogen und dann zwei Unterschriften. Eine übst du“, erklärte Sebastian dem grinsend dastehenden Freund, „und eine andere ich. Los, machen wir uns also ans Werk.“ Beide überquerten rasch den Marktplatz.
    „Die Fahrkarten holen wir uns dann in Altdöbern“, schlug Hans-Peter vor, „gleich morgen Nachmittag. Dann können wir schon übermorgen fahren. Ich bin dann mal wieder krank.“
    „Du bist nun mal so’n schwaches Kerlchen“, spöttelte Sebastian.
    „Nicht jeder ist eben ein kerngesunder Holzhacker“, foppte Hans-Peter zurück.
    „Von wegen kerngesunder Holzhacker, du kennst ja meinen empfindlichen Magen“, blödelte Sebastian.
    Die beiden entwarfen schließlich bei Sebastian am Schreibtisch einen Text, der den Kollegen Hans-Peter Sasse und Sebastian Sebaldt seitens der Personalabteilung der Bauunion Senftenberg bescheinigte, daß sie zur Arbeiter- und Bauernfakultät nach Potsdam geschickt würden. Man bitte darum, den beiden Kollegen die benötigten Fahrausweise nach Berlin auszustellen.
    Die Unterschriften stellten keinerlei Schwierigkeit dar. Das

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