Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
ein Zug des Miß-trauens im Gesicht seines Gegenübers abzuzeichnen begann, fügte er rasch hinzu: „Entschuldigung, ich will Sie nicht etwa aushorchen. Ich komme aus der Senftenberger Braunkohlengegend und da gibt’s eigentlich immer Arbeit.“
„Hier nicht“, sagte der Gießereiarbeiter kurz.
„Na ja, ich warte hier auch bloß auf einen Freund, der mit Passierschein drüben ist. Es liegt mir fern, Sie mit vielleicht dummen Fragen zu belästigen. Wie schon gesagt staune ich eigentlich bloß, daß es hier um diese Zeit so voll ist.“ Doch auch mit solchen Floskeln dämpfte Sebastian das einmal erwachte Mißtrauen nicht mehr, und er erinnerte sich an die Rede des Zimmermanns bei Richard über seine Arbeit in der Stalinallee. Wir sitzen da rum, hatte der gesagt, weil’s kein Material gibt. Viele hier kennen sich auch, stellte er fest. Dem Gießereiarbeiter war es wohl nicht ganz geheuer gewesen mit Sebastian am Tisch, der hatte sich wortlos an die Theke verzogen, um seinen Kollegen dort vielleicht zu berichten: Da hinten sitzt einer, der will wissen, warum wir hier in der Kneipe rumhängen und nicht auf Arbeit sind. Ich hätte als Fremder, sagte Sebastian sich, nicht so direkt fragen sollen. Arbeit ist im Arbeiter- und Bauernparadies ja immer ein heikles Thema; sie wird offiziell groß geschrieben, ganz groß, aber nicht selten karren die Leute in Wahrheit bloß Sand von einem Haufen zum anderen und wieder zurück. Niemand sprach gerne davon, war jedem doch die Sinnlosigkeit klar und auch peinlich.
Nachdem Hans-Peter Personalausweis und Passierschein vorgewiesen hatte und von den Grenzern registriert worden war, stand er nach wenigen Schritten im Westen und fragte sich dort zur nächsten öffentlichen Telefonzelle durch. Unsicherheit überkam ihn, als er den Hörer aus der Gabel nahm, den Westgroschen durch den Geldschlitz schob und die bekannte Nummer wählte. Das Anschlußtuten im Hörer, schien ihm, nahm kein Ende … Was dann? Doch da hatte er plötzlich Hoffmanns Stimme im Ohr. Hans-Peter meldete sich: „Ich bin hier mit Passierschein in Westberlin.“ Nach einem kurzen Moment hörte er Hoffmanns erstaunte Stimme: „Wie haben Sie denn das gemacht?“
„Ist eine längere Geschichte …“
„Gut, wir treffen uns im Kaffeestübchen am Roseneck. Das kennen Sie doch.“
„Kenne ich nicht, werde es aber finden.“
„In einer Stunde“, sagte Hoffmann, dann klapperte es und ein Dauertuten war in der Leitung.
Na klar, telefonieren nur so kurz wie möglich – Hans-Peter hängte den Hörer in die Gabel und hörte den Groschen in den Geldkasten fallen. Da war er noch nie gewesen, am Roseneck, das war dort, wo Sebastian damals mit Irene auf Hoffmann gestoßen war. Das Kaffeestübchen, es war wirklich nicht zu verfehlen, ganz so wie Sebastian es ihm seinerzeit beschrieben hatte. Innen ein bißchen wie eine Eisdiele hatte der gesagt. Na ja vielleicht, aber doch nicht ganz. Solche Barhocker gab’s in einer Eisdiele nicht und der Stehtisch am Ende der Theke, dort hatten Sebastian und Hoffmann damals ihr Bier getrunken.
Hans-Peter suchte sich einen Platz an einem der Tischchen mit blanken Stahlrohrbeinen und den dazu passenden Stühlen, zündete sich eine Zigarette an, bestellte ein Bier, sah zum Fenster hinaus und wartete. Etwas stolz war er schon, wenn er daran dachte, wie er das im Präsidium mit dem Passierschein hingekriegt hatte.
Schließlich ging mit leichtem Knarren die etwas klemmende Tür des Lokals auf und Hoffmann betrat den Raum, nickte Hans-Peter zu, setzte sich an dessen Tisch und tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn. „Ziemlich heiß heute“, begrüßte er den überraschenden Besuch aus dem abgesperrten Osten.
„Eine heiße Zeit eben“, erwiderte Hans-Peter lächelnd.
„Kann man wohl sagen“, und Hoffmann rief Richtung Wirt nach einem Cognac. „Sie auch einen?“ fragte er.
Hans-Peter schüttelte den Kopf. „Danke.“
Der Wirt brachte den Cognac auf einem kleinen blanken Tablett.
Hoffmann leerte das Glas auf einen Zug. „Gut für den Kreislauf“, sagte er und an den Wirt gewandt: „Ein kühles Bier hätte ich jetzt gern. Sie auch?“
Hans-Peter nickte. „Gerne.“
„Also zwei Bier. Nun erzählen Sie mal“, sagte Hoffmann, als der Wirt sich vom Tisch entfernt hatte. „Sie sind der erste, der regulär hier rübergekommen ist, lediglich einer vor Ihnen und der ist über die Spree geschwommen.“
„Da staune ich aber“, erwiderte Hans-Peter, „es gibt doch
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