Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Polier erhaltenen Zahlen und Daten anzufertigen. Danach tranken sie ihr Bier und betrachteten durchs Restaurantfenster den Verkehr auf dem Tauentzien und die Gedächtniskirchenruine gegenüber auf diesem weiten leeren Platz, der von Melde, Brennesseln und vereinzelten Disteln bewachsen war.
„Pi-Pa-Po ist da“, und Hans-Peter wies mit dem Kopf in Richtung Eingangstür. Von dort steuerte Hoffmann quer durchs Restaurant ihren Tisch an. Er nahm grüßend Platz, winkte dem Ober und bestellte einen doppelten Cognac. „Sie auch?“ fragte er die beiden.
Die lehnten ab.
„Na, Sie wissen ja“, sagte Hoffmann, „der Kreislauf, gerade bei diesem Wetter.“
„Ich bin da mehr für Kaffee“, meinte Sebastian.
„Na bitte, dann zwei Kaffee?“
„Ja gerne“, stimmte Sebastian zu und auch Hans-Peter nickte.
„Also noch zwei Kaffee für die Herren.“ Der Ober deutete eine knappe Verbeugung an und entfernte sich. „Erstmal sehr schön, daß Sie wieder zurück sind“, und Hoffmann lächelte den beiden zu. „Wie sieht’s denn nun in Dessau bei Junkers aus? Was ist mit den Sowjets?“
„Sind nur noch wenige da, die dort rein- und rausfahren“, antwortete Hans-Peter. „Die allermeisten sind weg, wie uns auch Einwohner erzählt haben. Aber wohin?“ Er breitete die Hände aus und hob die Schultern. „Das weiß auch keiner dort. Dafür ist aber nun die Volksarmee da.“
„Von denen, die da rumfahren, den Russen also“, ergänzte Sebastian, „haben wir ein paar Nummern notiert.“
„Gut“, nickte Hoffmann, „dann werden wir auch die anderen finden. Wichtig“, fügte er hinzu, „weil die Sowjets in letzter Zeit verstärkt Truppen und Ausrüstung nach Ostdeutschland schaffen.“
„Was wollen die damit? Den Westen herausfordern?“
Hoffmann wiegte den Kopf. „Ganz schlicht die Weltherrschaft“, sagte er. „Das ist letztlich ihr Ziel. Wenn die von Weltfrieden reden meinen sie Weltherrschaft.“
„Das würden die aber weit von sich weisen“, warf Hans-Peter ein.
„Ja natürlich, in der Öffentlichkeit. Da gibt’s dann aber auch das Postulat vom gerechten Krieg“, gab Hoffmann zu bedenken, „dem Krieg für den Frieden wie die sagen, den Weltfrieden eben …“
„Das letzte Gefecht“, ergänzte Hans-Peter.
„Ich kenne den Spruch vom gerechten Krieg“, sagte Sebastian, „bloß wer bestimmt dann, was gerecht ist?“
Hoffmann lachte. „Was war eher da“, fragte er, „das Huhn oder das Ei?“
„Da siehst du wieder mal“, wandte Sebastian sich an seinen Freund, „immer wieder landen wir ganz schnell in Absurdistan.“
Hans-Peter nickte und auch Hoffmann stimmte dem grinsend zu. „Absurd ist hier vieles“, sagte er, „das sehen Sie schon richtig.“
„Sie sagten“, wandte Hans-Peter sich an Hoffmann, „der Kommunismus will die Weltherrschaft.“
„Ja sicher“, bestätigte der.
„Was aber will dann der Westen, der Kapitalismus?“
„Diese Weltherrschaft verhindern, was sonst?“
„Dafür die Herrschaft des Westens?“
„Sie meinen Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit …“
„Das sagen Sie. Im Osten heißt es Weltherrschaft des Imperialismus mit Ausbeutung und Krieg. Der Osten rüstet nur, sagen die, um sich gegen diesen aggressiven Imperialismus zu behaupten.“
Hoffmann lachte wieder. „Na gut“, sagte er, „das ist eben, wie sagten Sie so schön, Absurdistan. Das werden am Ende die Völker entscheiden, wohin sie wollen.“
„Natürlich“, stimmte Hans-Peter zu. „ich hab’ ja auch nur wiedergegeben, was die bei uns im Osten sagen.“
„Sie meinen in Ihrer Schule?“
„Ja, auch da. Rotlichtbestrahlung sagt man bei uns dazu.“
„Auch innerbetriebliche Schulungen“, ergänzte Sebastian, „jede Woche ein, zwei Stunden.“
„Bei Ihnen im Wald?“
„Na, nicht gerade dort“, und Sebastian lachte. „Das gibt’s auch in vielen Betrieben“, fuhr er fort, „diese Rotlichtbestrahlungen und bei Behörden ganz besonders. Jeder muß dort antanzen und sich bestrahlen lassen.“
„Ich verstehe schon“, und Hoffmann sah die beiden über den Tisch hinweg fast mitleidig an. „So ein stiller Widerstand tagtäglich…“
Sebastian schüttelte energisch den Kopf. „Nichts mit stillem Widerstand, das ist einfach schizophren. Vielleicht wird man selber noch spaltungsirre.“
Inzwischen hatte der Ober auch den Kaffee gebracht und Sebastian nippte an seiner Tasse. „Ist heiß wie immer“, sagte er und stellte sie auf die Untertasse zurück.
Auch
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