Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
Vom Netzwerk:
nicht in die Kette kommen, wenn ich auf dem Fahrrad saß.“
    „Also für einen Geheimagenten“, sagte Hans-Peter spitz, „bist du viel zu extravagant. Guck dich doch mal um, wer trägt schon Bart und so lange Haare, zumindest hier im Osten?“
    „Beim Bart fällt mir Walterchen ein“, antwortete Sebastian grinsend.
    „Na ja, Ulbricht. Ich meine, bei den normalen Leuten. Es ist auch fast schon elf“, und Hans-Peter wies mit den Kopf in Richtung Wanduhr. „Der Wirt guckt dauernd rüber, die anderen sind vorhin schon alle gegangen. Der wird gleich anfangen die Stühle auf die Tische zu stellen und das meiste Licht auszuknipsen.“
    „Ja, wir gehen ja schon“, und Sebastian fischte sein Portemonnaie aus der Jackentasche. „Wir gehen gleich vor und zahlen und dann ab in unser Quartier.“

    Der nächste Morgen versprach wieder einen sonnigen Tag, das stellten sie fest, als Hans-Peter die Vorhänge aufzog. Und Sebastian schnitt sich vor dem kleinen Wandspiegel über der Waschschüssel mit der Nagelschere vorsichtig den Bart von der Oberlippe, seifte die verbliebenen Stoppeln ein und rasierte sie dann ganz weg. „Ich will das gar nicht sehen“, schimpfte er dabei, „so ein nacktes Gesicht.“
    „Reg dich nicht auf, ich hab’ schließlich immer so’n Gesicht, das ist doch normal.“
    „Klar, weil bei dir nichts wächst.“
    „He! Sag das nicht“. und Hans-Peter fuhr sich mit der Fingerkuppe tastend über die Oberlippe.
    „Na klar, drei Haare in sieben Reihen“, lästerte Sebastian, warf sich einige Hände Wasser aus der Steingutschüssel ins Gesicht und tupfte es mit einem Handtuch ab. „Zahnbürste habe ich zwar, aber keine Zahnseife.“
    „Hab’ ich“, erklärte Hans-Peter und hielt Sebastian ein Pappschächtelchen hin. „Kommt aus Waldheim“, sagte er, „ist rosa und schmeckt diesmal nach Himbeere.“
    „Kenne ich“, bemerkte der, „es gibt auch hellgrüne, ist seltener und schmeckt nach Pfefferminz.“
    „Was du nicht sagst“, frotzelte Hans-Peter.
    Dann machten sich beide mit ihren Handkoffern auf den Weg. Sie hatten sich zuvor entschlossen, die Strecke zu Fuß zurückzulegen, so konnten sie sich dem Bahnhof ganz allmählich nähern.
    Hans-Peter steckte sich eine Zigarette an und Sebastian zog sich endlich seinen Mantel über.
    „Hättste schon eher machen sollen“, kritisierte der Freund.
    „Die beiden da“, und Sebastian wies mit dem Kopf auf zwei Gestalten, die am Rande des Bahnhofsvorplatzes standen, die kenne ich.“
    „Ist der Polier dabei?“
    „Nein, nein, der nicht“, beruhigte Sebastian, „aber beide waren gestern Abend in der Kneipe.“
    „Jetzt ist doch eigentlich Arbeitszeit“, murmelte Hans-Peter beunruhigt, „was wollen die hier?“
    „Egal“, erklärte Sebastian, „wir gehen jetzt in den Bahnhof. Wer weiß, auf wen die hier warten, vielleicht auf jemanden, der mit dem nächsten Zug ankommt. Also los geht’s. Ich bleib’ so neben dir, daß die mich auf alle Fälle nie richtig sehen können.“
    So überquerten sie den Bahnhofsvorplatz, Sebastian immer ein wenig hinter dem Freund. „Was machen die beiden“, wollte er wissen, da er nicht hinsehen mochte und Hans-Peter ihm auch im Wege gestanden hätte.
    „Die stehen und gucken uns gleichgültig nach, jedenfalls sieht das so aus.“
    Als sie das Bahnhofsgebäude betraten, blickte Hans-Peter sich noch einmal kurz um. „Die stehen immer noch da, gucken aber nicht her.“ Dann blieb er abrupt stehen. „Moment mal“, sagte er und trat zwei Schritte zurück. „Eben kam noch einer dazu.“
    Auch Sebastian lugte nun aus dem Bahnhofseingang. „Ist zu weit weg, kann ich nicht erkennen“, sagte er, „aber die scheinen miteinander zu sprechen. Aha, der eine zeigt in eine andere Richtung. Guck mal, der Neue, der nickt und geht jetzt weg. Na bitte, die wollen nichts von uns, sind ja auch in Arbeitsklamotten und halten sich hier bestimmt nicht lange auf. Wahrscheinlich warten die wirklich auf irgendwas oder irgendwen, nur nicht auf mich; und Sebastian zog sich den Mantel wieder aus.
    „Sei nicht so voreilig“, mahnte Hans-Peter.
    „Quatsch, was soll diese Mantel- und Degenverkleidung, wo ich noch nicht mal’n Degen habe.“
    „Aber ich“, sagte Hans-Peter lachend und zog sein Fahrtenmesser aus der Hosentasche.
    „Um Himmelswillen, was soll denn der Zahnstocher? Warum hast du den mit? Steck das bloß wieder ein. Sei gewarnt, den Flade, der Flugblätter geklebt hatte, den haben sie dafür zum Tode

Weitere Kostenlose Bücher